Terror-Gefahr Angst vor kampferprobten Islamisten

Berlin · Der mutmaßliche Vierfachmörder in Brüssels jüdischem Museum war ein Syrien-Heimkehrer - mehr als 20 derartige "tickende Zeitbomben" leben in Deutschland. Die Innenminister stellen deshalb die Sicherheit auf den Prüfstand.

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Foto: dapd, Roberto Pfeil

Der junge radikalisierte Franzose hatte nach seinen Kämpfen an der Seite anderer Islamisten im syrischen Bürgerkrieg eigens einen Umweg gewählt. Gleichwohl bekamen die Sicherheitsbehörden ihn beim Umsteigen im Frankfurter Flughafen auf den Schirm - und leiteten die verdeckte Beobachtung an die Kollegen in Frankreich weiter.

So wie die Behörden auch 20 deutsche Islamisten bei ihrer Rückkehr aufspürten. Doch die verdeckte Beobachtung von Frankfurt hat nicht verhindert, dass der Franzose nun beschuldigt wird, bei einem Attentat auf das jüdische Museum in Brüssel vier Menschen getötet zu haben. Für die deutschen Innenminister stellt sich bei ihrer Konferenz ab morgen in Bonn deshalb die Frage, ob auch in Deutschland der Schutz vor derartigen kampferprobten Heimkehrern schon ausreicht.

Die Sicherheitsbehörden schätzen, dass sich knapp 2000 Islamisten aufgemacht haben, um in Syrien als "foreign fighters" (ausländische Kämpfer) in den Bürgerkrieg einzugreifen - gut 320 davon aus Deutschland. Ein ähnliches Phänomen war bereits beim Afghanistan-Krieg zu beobachten. Allerdings war die Anreise dorthin deutlich komplizierter. Syrien erreichen die meisten deutschen Islamisten mit einem einfachen Linienflug in die Türkei, wo sie dann im Grenzgebiet nach Syrien untertauchen und sich islamistischen Kriegsparteien anschließen.

"Kampferprobt und entschlossen" kommen sie nach den Worten von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) dann zurück. Manche sind durch die blutigen Kämpfe nachhaltig kuriert und wollen nie mehr eine Waffe anfassen. Doch bei anderen ist die Hemmschwelle durch das Töten gesunken, der Vorsatz, gegen die "Ungläubigen" mit Gewalt auch in Europa vorzugehen, gestiegen. "Aus der abstrakten Gefahr der Bedrohung durch Foreign Fighters ist eine konkrete Gefahr geworden", lautet für de Maizière die Lehre aus dem Attentat von Brüssel.

Alle Anstrengungen sollten nun darauf gerichtet werden, dass sich so etwas nicht wiederhole, fordert Unions-Innenexperte Stephan Mayer (CSU). Dies könne nur durch ein ganzes Bündel von Maßnahmen erreicht werden. "Wir müssen diese Terroristen an der Ausreise hindern, wo dies nicht gelingt, Heimkehrer so umfassend wie möglich überwachen." Polizei-Experten sind skeptisch, ob die Behörden die Heimkehrer, die der frühere Innenminister Hans-Peter Friedrich "tickende Zeitbomben" nannte, wirklich umfassend unter Beobachtung haben.

Das Attentat in Brüssel zeigt, dass die Wirkungen der verdeckten Beobachtung Anschläge nicht verhindern können. Weil die meisten über EU-Pässe verfügen, sind sie in der Lage, schnell und unauffällig ihren Aufenthalt zu wechseln. Auch der Attentäter war von Deutschland nach Frankreich gereist und von dort aus in die belgische Hauptstadt gefahren.

Deshalb wird erwartet, dass de Maizière die gewandelte Bedrohungslage auch bei der Innenministerkonferenz von Mittwoch bis Freitag in Bonn zur Sprache bringen wird. Er setzt auf einen deutlich verbesserten Informationsaustausch und schlägt vor, ein System zur Registrierung von Fluggastdaten nach US-Vorbild auch in Europa aufzubauen. Zudem gehe es darum, die Radikalisierung junger Muslime in Deutschland zu stoppen, wie sie etwa im Erstarken der salafistischen Bewegung in vielen deutschen Städten zu beobachten ist. Das Thema hatte Konferenz-Gastgeber NRW-Innenminister Ralf Jäger ohnehin auf die Tagesordnung gesetzt. Zuvor hatte er die Zahl gewaltbereiter Salafisten von 1500 auf 1800 korrigiert.

Der syrische Bürgerkrieg bestimmt aber noch in anderer Hinsicht die Innenministerkonferenz. Jäger will die Kollegen dazu gewinnen, deutlich mehr syrische Flüchtlinge nach Deutschland zu lassen. De Maizière müsse das bundesweite Aufnahmekontingent von bisher 10.000 Syrern aufstocken. Vor allem Angehörige der bereits in Deutschland lebenden Syrer sollten nachfolgen dürfen. "Der Bürgerkrieg in Syrien ist die humanitäre Katastrophe unseres Jahrzehnts", betonte Jäger. Die hohe Zahl von Anträgen verdeutliche die Sorge der eingereisten Syrer um ihre Angehörigen in der Krisenregion.

Der nordrhein-westfälische Anteil am bundesweiten Aufnahmeprogramm beläuft sich auf 2100 Flüchtlinge. Etwa 1000 von ihnen seien inzwischen angekommen. Zusätzlich laufen in den Bundesländern weitere Aufnahmeprogramme. So haben die nordrhein-westfälischen Ausländerbehörden bereits in 3500 Fällen grünes Licht gegeben, wurden inzwischen 1700 Visa ausgestellt. Für mehr als 25.000 Personen laufe derzeit ein landesinternes Prüfverfahren.

(mar)
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