Großeinsatz in Sachsen-Anhalt Tödliche Schüsse vor Synagoge lösen Entsetzen in ganz Deutschland aus

Halle (Saale) · In Halle/Saale erschießt ein offenbar rechtsextremistischer Mann zwei Menschen. Die Jüdische Gemeinde entgeht an ihrem höchsten Feiertag nur knapp einem Blutbad. NRW verstärkt die Bewachung jüdischer Gotteshäuser.

Schüsse in Halle an der Saale und Landsberg: Bilder von den Tatorten
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Bilder aus Halle und Landsberg

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Foto: dpa/Sebastian Willnow

Mitten in Halle an der Saale hat ein schwer bewaffneter Täter vor einer Synagoge und in einem Döner-Imbiss zwei Menschen erschossen. Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) sagte am Abend: „Nach Einschätzung des Generalbundesanwalts gibt es ausreichend Anhaltspunkte für einen möglichen rechtsextremistischen Hintergrund.“ Wegen der Bedeutung der Tat hatte die Generalbundesanwaltschaft die Ermittlungen an sich gezogen.

Die „Mitteldeutsche Zeitung“ zeigte ein Foto, auf dem ein dunkel gekleideter Mann mit Helm und Stiefeln auf einer Straße zu sehen ist, der ein Gewehr im Anschlag hat. Der MDR zeigte ein Video, auf dem ein Mann aus einem Auto aussteigt und mehrfach seine Waffe abfeuert. Nach Berichten mehrerer Medien handelt es sich bei ihm um einen Einzeltäter. Er soll der Polizei nicht bekannt gewesen sein. Der Täter war demnach ein 27-jähriger Deutscher. Den Ermittlern liege ein Video vor, das er mit einer Helmkamera gedreht habe. Die Aufnahme zeige auch die Morde. Aus dem Video ergäben sich klare Hinweise auf ein rechtsextremistisches und antisemitisches Motiv – der Täter schimpfe auf „Kanaken“ und Juden. Das Video soll er auch im Internet verbreitet haben.

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Halle, Max Privorozki, sagte der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“, der Mann habe die Synagoge direkt angegriffen: „Wir haben über die Kamera unserer Synagoge gesehen, dass ein schwer bewaffneter Täter mit Stahlhelm und Gewehr versucht hat, unsere Türen aufzuschießen. Aber unsere Türen haben gehalten.“ Außerdem habe der Täter versucht, das Tor des jüdischen Friedhofs aufzuschießen, sagte Privorozki. Anwohner berichteten von einer oder mehreren Detonationen.

 Auf Videoaufnahmen ist der Angreifer zu sehen. Er trägt einen Helm und führt ein Gewehr bei sich.

Auf Videoaufnahmen ist der Angreifer zu sehen. Er trägt einen Helm und führt ein Gewehr bei sich.

Foto: AFP/ANDREAS SPLETT

In der Synagoge feierte die Gemeinde den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur; zum Zeitpunkt des Angriffs hielten sich dort laut Privorozki 70 bis 80 Menschen auf. Die Gemeindemitglieder verbarrikadierten sich über Stunden. Erst am späten Nachmittag ließ die Polizei sie in einen Bus steigen, um sie vom Tatort wegzubringen. Der Täter hatte nach Erkenntnissen der Deutschen Presse-Agentur auch Sprengsätze vor dem Eingang abgelegt.

Danach soll er auf der Straße das Feuer eröffnet und eine Frau erschossen haben. Ein junger Mann berichtete, dass der Mann gezielt auf den Döner-Imbiss zugegangen und hineingeschossen habe. Dabei habe ein anwesender Maler tödliche Verletzungen erlitten, während andere Besucher sich durch einen Hintereingang und auf einer Toilette hätten in Sicherheit bringen können.

Zunächst waren die Ermittler von mehreren Angreifern ausgegangen, weil auch im etwa 15 Kilometer entfernten Landsberg Schüsse fielen. Die „Bild“-Zeitung berichtete, der Täter habe nach dem Angriff in Halle dort ein Auto verlangt. Als es dabei Schwierigkeiten gab, habe er geschossen und einen Mann verletzt. Der Täter sei dann in einem Taxi Richtung Autobahn geflohen, von einem Lkw gerammt und nach diesem Unfall festgenommen worden.

Die Tat übersteige „alles bisher Dagewesene“, sagte Josef Schuster, der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Dass die Synagoge nicht durch Polizei geschützt gewesen sei, sei skandalös: „Diese Fahrlässigkeit hat sich jetzt bitter gerächt.“ Bundesregierung und Kirchen zeigten sich entsetzt. „Dass am Versöhnungsfest Jom Kippur auf eine Synagoge geschossen wird, trifft uns ins Herz“, twitterte Außenminister Heiko Maas. Bundeskanzlerin Angela Merkel nahm an einer Solidaritätsveranstaltung an der Synagoge in der Oranienburger Straße in Berlin teil.

Mehrere Bundesländer, auch Nordrhein-Westfalen, verstärkten die Bewachung jüdischer Gotteshäuser. Im Land gibt es größere jüdische Gemeinden mit Synagogen unter anderem in Düsseldorf, Köln, Duisburg, Münster, Aachen, Essen, Bochum und Wuppertal.

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