Analyse zum Unions-Regierungsprogramm Angela Merkels kleiner Wurf

Berlin · Vielen wohl, keinem weh. Angela Merkels CDU legt zusammen mit der CSU ein Wahlprogramm vor, das viel Gutes für Familien, Arbeitnehmer, Autofahrer, Heimatfreunde und Europäer vorsieht. Vor allem aber den Weg zur Großen Koalition ebnet. Die SPD kann mit dem Programm gut leben. Eine Analyse.

Kanzlerin Merkel besucht die Hochwasser-Opfer
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Die Vision der Union für Deutschland steht in Zeile acht des Entwurfs für das Regierungsprogramm. Man wünsche sich ein "Land des Zusammenhalts, in dem die Menschen gern und sicher leben", heißt es gleich zu Beginn. Wer kann dazu schon nein sagen?

"Das Wir entscheidet" wäre auch eine mögliche Formulierung gewesen. Doch soweit wollte es die Union mit der sozialdemokratischen Kuschelrhetorik dann wohl doch nicht treiben. So oder so. Der Entwurf für das Regierungsprogramm, den CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe am Dienstag Journalisten vorstellte, liest sich wie eine Einladung an die SPD zu Koalitionsverhandlungen.

Klare Absage an Eurobonds

Mehr Geld für Familien durch eine Erhöhung des Kinderfreibetrags, mehr Geld für Infrastruktur, tarifliche Mindestlöhne, Mietpreisbremse, steuerliche Forschungsförderung und mehr finanzielle Leistungen für ältere Mütter und gering verdienende Rentner. All das haben auch schon sozialdemokratische Politiker so oder so ähnlich gefordert. Zuletzt entdeckte SPD-Chef Sigmar Gabriel gar seine Sympathie für die Mütterrente.

In der Europapolitik legt die Union bekanntlich Wert auf Hilfe gegen Reformzusagen. Auch das stellt SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück im Kern nicht infrage. Und die klare Absage der Konservativen an Eurobonds verpufft, schließlich haben die Sozialdemokraten diese Forderung gar nicht in ihr Programm aufgenommen.

Vielmehr wünscht sich die SPD zusammen mit den Wirtschaftsweisen einen Altschuldentilgungsfonds in Europa. Den wiederum hat die Union vorsorglich unerwähnt gelassen. So könnte man sich da auch schnell einigen.

Selbst die Absage der Union an Steuererhöhungen, ein Kernelement des Wahlkampfs, ist bei näherer Betrachtung kein Hindernis für eine große Koalition. Wie pragmatisch sich SPD und Union in bei Steuerfragen einigen können, zeigte man ja 2005. Die im Wahlkampf noch abgelehnte Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Punkte ging nach der Wahl ohne großes Murren durch.

Finanzpolitische Bescheidenheit

Von Leipzig 2003 ist Angela Merkel und ihre CDU so weit entfernt wie nie. Wirtschaftspolitische Reformrhetorik wird im Programm quasi ausgeblendet. Keine Aussage zur Reform der Mehrwertsteuer. Kein Modell für Subventionsabbau. Kein Wort zu Änderungen im Arbeitsrecht.

Die steuerpolitischen Vorschläge beschränken sich auf die vom Verfassungsgericht angemahnte Abmilderung der kalten Progression sowie die Anhebung des Kinderfreibetrags, die als Familiensplitting verkauft wird. Die CDU ist finanzpolitisch bescheiden geworden. Und will die SPD offenbar nicht verschrecken.

Die Aussagen zur inneren Sicherheit, in den 90er Jahren ein handfestes Streitthema zwischen Sozialdemokraten und Konservativen, dürfte die SPD-Wahlkämpfer auch nicht gerade zur Weißglut treiben. Ein bisschen mehr Videoüberwachung, ein etwas schärferes Jugendstrafrecht und Steuerboni für Einbruchssicherung. Wer mag da widersprechen? Vielleicht die FDP? Ein Angebot an die Liberalen fehlt im Programmentwurf. Übrigens ebenso wie eine Koalitionsaussage.

(brö)
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