Angela Merkel Wie lange will sie noch regieren?

Berlin · Auf dem Höhepunkt ihrer Macht feiert Angela Merkel am Donnerstag ihren 60. Geburtstag. In Berlin diskutiert man über das Ende ihrer Ära.

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Das ist Angela Merkel

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Foto: dpa, Patrick Seeger

Beim Abschied der früheren Bildungsministerin Annette Schavan vom Berliner Parkett hielt Bundeskanzlerin Angela Merkel eine humorige Rede. Unter anderem erzählte sie eine Anekdote aus ihrem eigenen Studium: Sie musste für das Fach Physik eine Arbeit in Analysis schreiben - das ist ein Teilgebiet der Mathematik. Ihre Lösungen waren zwar richtig, aber der Weg dorthin war wohl etwas umständlich geraten. Der Professor schrieb darunter: "Viele Wege führen nach Rom, warum den kürzesten nehmen?"

Mit dieser Anekdote umging es Merkel, zum einen auf die genauen Gründe (den entzogenen Doktortitel) einzugehen, die zum Wechsel ihrer Ministerin auf den Botschafter-Posten im Vatikan geführt hatten. Zum anderen illustrierte sie damit einen ihrer eigenen Charakterzüge, der für die Deutschen kein Geheimnis ist: Den direkten Weg nimmt die Kanzlerin eher selten. Vielmehr tariert sie alle Seiten eines Problems aus, probiert, fühlt vor, telefoniert, diskutiert, wägt ab, denkt voraus, zögert, bevor sie zu einer Entscheidung kommt. Diese Eigenschaft hat ihr den Ruf eingetragen, eine Physikerin der Macht zu sein, alle Einflüsse genau einkalkulierend.

In dieser Woche, am 17. Juli, wird Merkel 60 Jahre alt. Sie steht im Zenit ihrer Macht, mitten in ihrer dritten Amtszeit als Bundeskanzlerin, und das politische Berlin hat begonnen zu fragen: Was will die mächtigste Frau der Welt noch erreichen? Möchte sie ihren Abschied aus dem Kanzleramt selbst bestimmen? Hat sie etwa eine Rechnung mit vielen Variablen für das Ende ihrer eigenen Amtszeit? Oder wird es Merkel am Ende doch ergehen, wie es auch bei all ihren männlichen Vorgängern in der Geschichte der Bundesrepublik der Fall war: Sie wird vom Volk abgewählt wie Helmut Kohl und Gerhard Schröder, von den eigenen Leuten aus dem Amt gedrängt wie Konrad Adenauer und Ludwig Erhard, von den Koalitionspartnern verlassen wie Kurt Georg Kiesinger und Helmut Schmidt oder muss unter Druck zurücktreten wie Willy Brandt?

Tenor in der CDU zu dieser Frage: Im Prinzip traut man es ihr zu, nicht darauf zu warten, bis sie sich selbst überlebt hat. Sie will nicht enden wie Helmut Kohl, der zum Schluss die Distanz zu sich selbst verloren hatte und dessen Abgang der CDU sieben Jahre Opposition einbrachte. Sie sei auch nicht so eitel, dass sie sich selbst für unentbehrlich halte, sagen die, die sie schätzen. Aber ob ihr ein würdiger Abgang am Ende gelingt, darauf mag dann doch keiner wetten in der CDU.

"Es spricht vieles dafür, dass sie 2017 noch einmal antritt", sagt ein führendes CDU-Mitglied, das Merkel sehr gut kennt. Entschieden werde dies aber erst zum Ende der Wahlperiode Ende 2016 oder Anfang 2017.

Sollte Merkel 2017 nicht mehr antreten, würde sie mit 63 aus dem Amt scheiden. In Politiker-Kreisen reichlich jung, um freiwillig zu gehen. Sie könnte sich noch anderen Herausforderungen zuwenden. Immer wieder wird gemunkelt, Merkel interessiere sich für die Nachfolge von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon. Seine zweite Amtszeit endet 2016. Auch als mögliche EU-Ratspräsidentin ab 2017 ist sie schon gehandelt worden.

Für das Jahr 2017 als Ende der Kanzler-Ära Merkel könnte auch ein schnöder privater Grund sprechen: Merkels Mann Joachim Sauer hat in diesem Jahr seinen 65. Geburtstag gefeiert. Seinen Vertrag als Chemie-Professor verlängerte er um zwei Jahre, danach folgen weitere zwei Jahre einer Forschungsprofessur, dann ist 2017. "Sie wäre bereit, ihre persönliche Planung zurückzustellen, um einen geordneten Übergang zu schaffen", sagt allerdings eine Vertraute.

"Also, mit mir spricht sie nicht über das Thema", räumt ein anderes führendes CDU-Mitglied freimütig ein und schiebt hinterher, dass es auch reichlich dumm wäre, zum heutigen Zeitpunkt über den eigenen Abschied zu räsonieren.

Dass Merkel am Ende einen Kronprinzen oder eine Kronprinzessin über längere Zeit aufbauen und installieren könnte, hält ein CDU-Landesfürst für ausgeschlossen: "So etwas geht immer schief." Dies würde in der Partei auch zu erheblichen Verwerfungen führen. Die Chance, die eigene Nachfolge zu regeln, gebe es nur, "wenn es schnell geht". Das heißt, Merkel müsste für ihren eigenen Abgang ausnahmsweise den kürzesten Weg wählen, damit sie die Fäden in der Hand behält.

Wenn Merkel in naher Zukunft, also schon vor 2017 abtritt, wie nun der "Spiegel" spekuliert, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ins Kanzleramt einzieht. Sie ist trotz mancher Holperei im neuen Amt nach wie vor die stärkste Ministerin in der Unionsriege. In ihrer Popularität hat sie ein paar Federn lassen müssen. Sie ist aber die einzige in der CDU, die überzeugend Talkshows bespielen und jedes politische Thema allgemeinverständlich erklären kann. Das räumen sogar die vielen Von-der-Leyen-Kritiker in der Partei ein.

Bei aller persönlichen Uneitelkeit: Die Dauer von Merkels Amtszeit wird auch von ihren Popularitätswerten abhängen. Viele führende CDU-Mitglieder gehen davon aus, dass Merkel 2017 noch einmal antreten wird. Bei dieser Prognose schwingt die Hoffnung mit, dass die Kanzlerin für die Union die Macht im Bund erhält. Dafür ließe sie sich in die Pflicht nehmen, auch wenn sie privat andere Pläne haben könnte, sagt ein führendes Parteimitglied.

(qua)
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