Treffen mit Innenminister Seehofer Merkel legt offenbar Kompromissvorschlag im Asylstreit vor

Berlin · Zweieinhalb Stunden haben Kanzlerin Merkel und ihr Innenminister Seehofer zusammengesessen, um einen Kompromiss im Asylstreit zu erringen. Dabei soll die CDU-Chefin einen konkreten Vorschlag gemacht haben - und die CSU einen Gegenvorschlag.

 Angela Merkel und Horst Seehofer bei einer Sitzung der Unionsfraktion in Berlin (Archivfoto).

Angela Merkel und Horst Seehofer bei einer Sitzung der Unionsfraktion in Berlin (Archivfoto).

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat im Streit mit CSU-Chef Horst Seehofer nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur dpa einen konkreten Kompromissvorschlag vorgelegt. Demnach geht es unter anderem darum, unter der europäischen Decke bilaterale Vereinbarungen mit den am stärksten vom Migrationsdruck betroffenen Ländern zu schließen, um eine juristisch wasserdichte Rückweisung von Migranten an der deutschen Grenze zu ermöglichen, die schon in anderen EU-Ländern Asylverfahren durchlaufen haben.

Auch die Nachrichtenagentur Reuters berichtet von einem entsprechenden Vorschlag der Kanzlerin. Demnach habe sie in einer Telefonschalte des CDU-Präsidiums vorgeschlagen, der CSU entgegenzukommen und diejenigen Asylbewerber an der Grenze abzuweisen, deren Bescheid in einem früheren Verfahren in Deutschland bereits negativ beschieden worden sei, erfuhr die Agentur aus Teilnehmerkreisen. Außerdem möchte sie aber bis zum EU-Gipfel am 28. und 29. Juni Zeit bekommen, um bi- oder trilaterale Abkommen mit EU-Staaten auszuhandeln, in denen Flüchtlinge zuerst registriert wurden, die sich dann auf den Weg nach Deutschland machen.

Die Kanzlerin und der Innenminister sowie weitere Teilnehmer hatten am Mittwochabend über eine Beilegung des Asylstreits beraten. Über den Inhalt des Gesprächs hatten die Teilnehmer Stillschweigen vereinbart. Nach Informationen von dpa, Reuters und auch der Nachrichtenagentur AFP hat es aber noch keine Entscheidung in dem Streit gegeben.

Am Morgen meldete dpa schließlich, die CSU-Spitze habe Merkel einen Gegenvorschlag gemacht. Demnach besteht sie zwar weiter darauf, jetzt festzulegen, dass Asylbewerber, die schon in einem anderen europäischen Land registriert sind, an der deutschen Grenze zurückgewiesen werden. Zugleich unterstützt die CSU aber alle Bemühungen, auf europäischer Ebene gleichwertige Maßnahmen zu vereinbaren. Über das Beharren auf Abweisung an der Grenze berichten auch AFP und Reuters.

Bei dem Streit geht es um einen von 63 Punkten in Seehofers sogenanntem Masterplan für die künftige deutsche Asylpolitik. Der CSU-Chef will Flüchtlinge, die etwa schon in anderen EU-Ländern per Fingerabdruck registriert sind, direkt an der Grenze zurückweisen können, und setzt damit auf eine eher nationale Lösung. Merkel warnt vor nationalen Alleingängen und beharrt darauf, den „Masterplan“ in einen europäischen Gesamtkontext einzubinden.

Bilaterale Vereinbarungen?

CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer betonte im ZDF-„heute-Journal“, die Kanzlerin habe in der Fraktion gesagt, sie suche eine Lösung, die nationalen und europäischen Interessen gerecht werde. Es gehe darum, die Migrationsbewegung besser zu kontrollieren, als dies bisher der Fall gewesen sei. Das Anliegen Merkels sei es, dass dies in einer Art geschehe, die Europa zusammenhalte.

Möglicherweise nicht mit allen 28 EU-Staaten, aber mit den am stärksten betroffenen Staaten wie Italien oder Griechenland könne man zu bilateralen Vereinbarungen kommen, die im Grund das gleiche Ziel erreichten, wie es die CSU habe, aber in einem europäischen System, sagte Kramp-Karrenbauer. Daran müsse gearbeitet werden.

Merkel hat in diesen Tagen intensive Gelegenheit, an einem solchen Modell zu arbeiten. Nach einem Treffen mit dem österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz in den vergangenen Tagen trifft Merkel an diesem Montag den neuen italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte und am Dienstag den als Europa-Reformer bekannten jungen französischen Präsidenten Emmanuel Macron.

Nach dpa-Informationen war die von Kramp-Karrenbauer skizzierte Kompromisslinie jene, mit der Merkel in die Verhandlungen mit CSU-Chef und Bundesinnenminister Horst Seehofer sowie dem bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) gegangen ist.

„Chance ist vor der Tür, und die sollte man jetzt nutzen“

Solche bilateralen Flüchtlings-Vereinbarungen gebe es etwa zwischen Frankreich und Italien, sagte Kramp-Karrenbauer. Diese Möglichkeiten müssten ausgelotet werden, bevor man auf nationale Alleingänge setze. Wenn die Rückweisung von Frankreich nach Italien auf der Grundlage eines bilateralen Abkommens gelinge, könne das auch eine europäische Lösung sein. Es gehe um Vereinbarungen mit den bei dem Thema relevanten Ländern.

In zwei Wochen gebe es einen sehr wichtigen EU-Gipfel, bei dem die Asylpolitik eine wesentliche Rolle spielen werde. „Die Chance, die ist vor der Tür, und die sollte man jetzt nutzen“, sagte Kramp-Karrenbauer. Man mache die eigene Verhandlungsposition nicht dadurch besser, wenn man vorher mit nationalen Alleingängen beginne.

Wenn man von Zurückweisungen an der Grenze spreche, müsse zudem sehr genau unterschieden werden, welche Gruppen von Migranten gemeint seien, sagte Kramp-Karrenbauer. Es sei etwa unstrittig, dass zurückgewiesen werden solle, bei wem ein Asylverfahren schon abgeschlossen sei, und der wieder ins Land kommen wollen.

(das/dpa)
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