Berlin/Düsseldorf Die Bundeskanzlerin ist gegen Auftrittsverbote

Berlin/Düsseldorf · Der türkische Präsident Erdogan befremdet mit seinem NS-Vergleich auch die Kanzlerin. Dennoch setzt sie auf Kooperation. Die Türkische Gemeinde Deutschland wünscht sich ein Signal der Partnerschaft.

Angela Merkel ist irritiert über die Nazi-Vergleiche des türkischen Präsidenten.

Angela Merkel ist irritiert über die Nazi-Vergleiche des türkischen Präsidenten.

Foto: dpa, mkx kno

In der diplomatischen Krise zwischen Deutschland und der Türkei hat sich die Bundesregierung Nazi-Vergleiche verbeten, setzt aber weiter auf ein enges Verhältnis zu Ankara. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) sprachen sich dagegen aus, Wahlkampf-Auftritte türkischer Politiker in Deutschland generell zu verbieten. Sie seien innerhalb des Rechts und der Gesetze möglich, "soweit sie ordnungsgemäß, rechtzeitig und mit offenem Visier angekündigt und genehmigt sind", stellte Merkel klar.

Die Kommunen sagen dennoch reihenweise Veranstaltungen mit türkischen Regierungsvertretern ab. So soll Außenminister Mevlüt Çavusoglu aus Brandschutzgründen nicht in Hamburg auftreten dürfen. Zuvor waren Veranstaltungen in Gaggenau, Frechen und Köln abgesagt worden.

Die Türkei stimmt am 16. April über eine Verfassungsänderung ab, mit der Präsident Recep Tayyip Erdogan ein autoritäres Präsidialsystem durchsetzen will. Teilnehmen können auch 1,4 Millionen Türken in Deutschland. Erdogan hatte wegen der Absagen Deutschland NS-Methoden vorgeworfen.

"Solche deplatzierten Äußerungen kann man ernsthaft eigentlich nicht kommentieren", sagte die Kanzlerin am Montag. Regierungssprecher Steffen Seibert sprach von "tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten". Er kritisierte erneut die Untersuchungshaft des deutsch-türkischen Journalisten Deniz Yücel: "Wir erwarten, dass Deniz Yücel möglichst bald seine Freiheit wiedererlangt."

CDU-Vizechef Armin Laschet sagte: "Sein ungeheuerlicher Vergleich unserer Demokratie mit einer Nazi-Diktatur zeigt, dass Erdogan die Eskalation will." NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) übte heftige Kritik an den Zuständen unter Erdogan: "Was in den vergangenen Jahren in der Türkei entstanden ist, erinnert einen tatsächlich eher an die Vergleiche, die Herr Erdogan für uns gewählt hat", sagte er unserer Redaktion.

Die nächste Runde in den Auseinandersetzungen werden morgen Gabriel und Çavusoglu bestreiten: Der Außenminister kommt zur Eröffnung der Internationalen Tourismus-Messe nach Deutschland. "Ich setze darauf, dass von dem Gespräch der Außenminister ein konstruktives Signal ausgeht", sagte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoglu, unserer Redaktion. Nötig sei nun dringend eine Stimme der Vernunft: "Es bedarf eines Signals nach außen, dass Deutschland und die Türkei Partner sind."

In Berlin werden 190 türkische Aussteller eine ganze Messehalle füllen. Gesprächsbedarf ist vorhanden: Die schlechte Stimmung zwischen Berlin und Ankara hat die Urlauber erreicht. Für den Sommer ist die Türkei nach Angaben des Marktforschungsinstituts GfK und des Deutschen Reiseverbands kaum gefragt. Die Anbieter selbst berichten hingegen von "sanftem Aufwind".

FDP-Chef Christian Lindner kritisierte die Bundesregierung mit Verweis auf das Flüchtlingsabkommen mit der Türkei: Die "laxe Haltung" hänge wohl mit der Erpressbarkeit wegen der Flüchtlingskrise zusammen. Berlin solle "einfach cool" die Einreise von Ministern ablehnen.

(tak / qua)
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