Merkels Regierungserklärung Endlich mehr Klartext

Meinung | Berlin · Angela Merkel hat endlich die klaren Worte gegenüber Erdogan und der Türkei gefunden, die schon lange nötig waren und die sie schon längst hätte finden müssen. Die Nazi-Vergleiche Erdogans müssen aufhören, verlangte die Bundeskanzlerin in ihrer Regierungserklärung.

 Angela Merkel bei ihrer Regierungserklärung vor dem Bundestag.

Angela Merkel bei ihrer Regierungserklärung vor dem Bundestag.

Foto: afp

Ob sie Erdogan damit beeindruckt hat, ist aber zu bezweifeln: Mindestens bis zum Verfassungsreferendum Mitte April wird der türkische Präsident seine Attacken auf Europa und Deutschland fortsetzen und sogar noch verstärken.

Der Illusion, dass die verbalen Entgleisungen der türkischen Regierung gegenüber Deutschland kurzfristig aufhören werden, wird sich auch Merkel nicht hingeben. Erdogan benutzt das Feindbild Europa, um sich als starker Mann einer scheinbar starken Türkei zu stilisieren. Er will vergessen machen, dass sich die wirtschaftliche Lage in der Türkei unter seiner Führung in den vergangenen Jahren dramatisch verschlechtert hat.

Auch die Lebensqualität in der Türkei insgesamt hat weiter abgenommen, seit der Staat ein Willkürstaat geworden ist, der jeden wegsperrt, der den Mund gegen Erdogans Angst-Regime aufmacht. Viele Bürger dürften daher wenig Grund haben, Erdogan durch das Referendum am 14. April noch mehr Macht zu verleihen. Doch je unsicherer sein Sieg, desto absurder werden seine Anwürfe gegenüber Europa und dem Westen werden.

Die Bundesregierung darf diesem Treiben allerdings nicht schweigend zusehen. Es ist daher richtig, dass sich die Regierungschefin dem türkischen Autokraten im Deutschen Bundestag klar und deutlich entgegen stellt. Weder Erdogan noch seine Anhänger in Deutschland noch die übrigen Bundesbürger dürfen den Eindruck gewinnen, die Bundesregierung lasse sich Frechheiten wie die unwürdigen Nazi-Vergleiche zu. Es geht hier schlicht um einen geraden Rücken der deutschen Regierungsspitze und um das selbstbewusste Verteidigen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung.

Dazu gehört auch, Wahlkampf-Auftritte türkischer Politiker in Deutschland weiterhin zu akzeptieren, sofern die Absicht dieser Auftritte transparent gemacht worden ist und die öffentliche Sicherheit gewährleistet bleibt. Meinungs- und Versammlungsfreiheit sind demokratische Grundwerte, die auch für türkische Politiker zu gelten haben. Dass Merkel den Forderungen aus den eigenen Reihen nicht nachgegeben hat, die Auftritte nicht mehr weiter hinzunehmen, war wichtig und richtig.

Mit dem EU-Türkei-Flüchtlingspakt haben sich die Europäer von der Türkei abhängig gemacht, kritisieren Merkels Gegner. Sie sagen allerdings nicht, was die Alternative dazu wäre. Über die Türkei würden ohne das Abkommen wieder Zehntausende Flüchtlinge nach Europa übersetzen. Das EU-Mitglied Griechenland würde noch mehr im Chaos versinken.

Denn die Balkan-Route bliebe geschlossen. Eine drohende humanitäre Katastrophe in der Ägäis konnte nur durch das von Merkel in die Wege geleitete Abkommen verhindert werden. Ihre Kritiker vergessen auch gern, dass die Türkei ebenso abhängig von diesem Abkommen ist wie die EU und Deutschland. Die Türkei braucht die Milliarden, die die EU für die Flüchtlingsversorgung überweist.

(mar )
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