Angela Merkel zur Gleichberechtigung „Aus der Tatsache, dass es mich gibt, darf kein Alibi werden“

Berlin · Angela Merkel mag es nicht, wenn Deutschland ihretwegen als Musterland der Gleichberechtigung dargestellt wird. Das sagte die Kanzlerin am Montag beim Festakt zu 100 Jahren Frauenwahlrecht.

Hochrangige Politikerinnen drängen auf eine Erhöhung des Frauenanteils im Bundestag und in den Länderparlamenten. „Wir werden auch hier neue Wege bestreiten müssen“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am Montag bei einem Festakt zur Einführung des Frauenwahlrechts vor 100 Jahren. Der Bundestag sei in dieser Legislaturperiode „kein Ruhmesblatt“. In der Politik müsse genau wie in Wirtschaft, Verwaltung, Wissenschaft und Kultur gelten: „Das Ziel muss Parität sein“, sagte die Kanzlerin.

Zuvor hatten bereits Justizministerin Katarina Barley und Frauenministerin Franziska Giffey (beide SPD) gefordert, eine stärkere Vertretung von Frauen im Bundestag durchzusetzen. „Ich finde, wenn die Hälfte der Bevölkerung aus Frauen besteht, warum besteht dann die höchste Repräsentanz in unserem Land nicht auch zur Hälfte aus Frauen?“, sagte Giffey bei dem Festakt. Derzeit liegt der Frauenanteil im Bundestag bei 30,9 Prozent.

Vor allem in den Fraktionen von AfD, FDP und CDU/CSU sitze oft „ein Meer von grauen Anzügen“, hatte Barley der „Bild am Sonntag“ gesagt. „Ändern wird sich das wohl nur durch ein neues Wahlrecht.“ Zur Erhöhung des Frauenanteils könnten Kandidatenlisten der Parteien abwechselnd mit Männern und Frauen besetzt werden. Eine andere Möglichkeit wären größere Wahlkreise mit zwei direkt gewählten Abgeordneten unterschiedlichen Geschlechts.

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Foto: dpa, Patrick Seeger

Merkel betonte, der Frauenanteil im Bundestag stelle auch sie nicht zufrieden. Ihn zu ändern, sei aber nicht so einfach. Die CDU beispielsweise gewinne viele Direktwahlkreise - wenn Frauen hier mehr Chancen haben sollten, müssten sie schon ganz früh gut platziert werden. „Wir denken da sehr intensiv drüber nach“, sagte die Kanzlerin. Auch in der Unionsfraktion wurde die Forderung nach einer Wahlrechtsreform laut.

Die Grünen sprachen sich für eine gesetzliche Quote aus. „100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts ist ein solcher Schritt überfällig - von selbst steigt der Frauenanteil im Parlament offensichtlich nicht“, kritisierten Parteichefin Annalena Baerbock und die frauenpolitische Sprecherin Gesine Agena. Die Grünen haben strikte Regeln zur Förderung von Frauen und setzen in Partei und Fraktion auf Doppelspitzen mit mindestens einer Frau. Von den 67 Grünen-Abgeordneten im Bundestag sind 39 Frauen.

Giffey kritisierte auch die Zusammensetzung deutscher Unternehmensvorstände: Sie seien immer noch zu 94 Prozent mit Männern besetzt. Dies müsse sich ändern. Auch Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) bezeichnete die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen als Daueraufgabe.

Im Kanzleramt dagegen seien inzwischen vier von acht Mitarbeitern im Rang eines Abteilungsleiters Frauen, sagte Merkel. „Darauf bin ich ein bisschen stolz.“

Dass viele Deutschland nur wegen ihr als Musterland in Sachen Gleichberechtigung darstellten, möge sie dagegen nicht. „Eine Schwalbe macht noch keinen Sommer“, sagte Merkel. „Aus der Tatsache, dass es mich gibt, darf kein Alibi werden.“

(jco/dpa)
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