Koalitions- und EU-Treffen Angela Merkel - auf zu neuen Gipfeln

Berlin (RP). Angela Merkel findet nach Heiligendamm keine Ruhe. Schon wartet ein Krisentreffen der Koalition, drei Tage später wird der EU-Gipfel zur Zerreißprobe. Auch beim Bundesetat 2008 steht Ärger ins Haus.

Was vom Gipfel übrig bleibt
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Foto: ddp

Nach dem Gipfel ist vor dem Gipfel. Angela Merkel (CDU) hat nach dem Höhenflug von Heiligendamm kaum Zeit zum Verschnaufen, denn die beiden nächsten Gipfel warten schon - und werden für die Kanzlerin wohl schwieriger als das G8-Treffen.

So wächst in der großen Koalition der Druck, beim Gipfeltreffen der Partei- und Fraktionsspitzen am nächsten Montag endlich einige Streitthemen abzuräumen. Franz Müntefering (SPD) hat mit öffentlicher Kritik an Merkels Führungsstil die Lage bewusst zugespitzt. Das wiegt umso schwerer, weil Vizekanzler und Kanzlerin bis dato meist geräuschloses Einvernehmen praktizierten.

Stärkerer Einsatz angemahnt

Offenbar ist Müntefering in seiner Rolle als Arbeitsminister sauer über Merkels hinhaltendes Taktieren beim Thema Mindestlohn, das der SPD sehr am Herzen liegt. Auch die Streitereien über Kinderkrippen und Betreuungsgeld strapazieren die Nerven der Koalitionäre. Wenn am 18. Juni schon wieder keine Einigung gelingt, dürfte sich die SPD umso stärker auf Merkel einschießen - schon um die Kanzlerin nicht unangefochten in die Sphäre der großen Weltpolitikerin entschweben zu lassen.

Nur drei Tage nach dem Koalitionsausschuss wartet am 21. und 22. Juni der EU-Gipfel in Brüssel: Merkels letzte Chance, ihre EU-Ratspräsidentschaft mit einem Erfolg abzuschließen. Dazu müsste es ihr gelingen, die 27 EU-Regenten auf einen klaren Kurs zum europäischen Verfassungsvertrag zu bringen. Zwischen dem französischen Präsidenten, der keine neue Volksabstimmung riskieren will, dem rabiaten polnischen Präsidenten sowie jenen EU-Ländern, die den Vertrag schon ratifiziert haben und keine Abstriche machen wollen, bahnt sich eine Zerreißprobe an. Verglichen damit wirkt Merkels Leistung in Heiligendamm, US-Präsident Bush beim Klimaschutz ein wenig über den Tisch zu ziehen, beinahe wie eine Aufwärmübung.

Während Merkel in dieser Woche EU-Regierungschefs zu Einzelgesprächen empfängt, läuft bei Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) der Endspurt zum Haushaltsplan 2008. Am Freitag enden seine so genannten Chef-Gespräche mit den anderen Ministern: ein hartes Tauziehen um die Frage, wieviel Geld die einzelnen Ressorts im nächsten Jahr bekommen sollen. Danach wird der Etat 2008 zur Chefsache.

Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, mahnt bereits stärkeren Einsatz der Kanzlerin an: "Es gibt Riesenprobleme bei dem Ziel, die Verschuldung deutlich zu senken. Aber die Kanzlerin ist in der Innenpolitik nicht vorhanden und gibt keine klare Ansage."

In der Regierung herrsche, angeregt durch die höheren Steuereinnahmen, "eine Art Wettlauf um Mehrausgaben", beklagte Schneider im Gespräch mit unserer Zeitung. Er forderte, zusätzliche Ausgaben auf maximal zwei Milliarden Euro zu begrenzen. "Der Rest der Mehreinnahmen muss absolut zur Schuldentilgung genutzt werden." Der größte Brocken seien die Bundeszuschüsse zur Gesetzlichen Krankenversicherung, insgesamt 19 Milliarden Euro bis 2011. "Dazu gibt es keinen einzigen Finanzierungsvorschlag der Union", rügte Schneider.

Er warf vor allem Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) vor, er wolle nicht nur Mehrausgaben in seinem Etat, sondern mit seinem Ruf nach Steuersenkungen auch noch Mindereinnahmen. "Es gibt aber keinerlei Vorschlag von Herrn Glos, von welchem Förderprogramm er sich mal trennen kann. Das erwarte ich einfach."

Ins Spar-Visier nahm der SPD-Politiker auch die Unfallversicherung für Landwirte, die Zuschüsse in dreistelliger Millionenhöhe verschlinge. "Diese Versicherung ist überholt und soll in dieser Wahlperiode modernisiert werden. Ich kenne aber keinen Vorschlag von Landwirtschaftsminister Seehofer", rügte Schneider. Zudem müssten die Beamtenpensionen auf die neue Altersgrenze 67 umgestellt werden, auch das bringe Einsparungen.

Wenn die Minister ihre Hausaufgaben nicht machten, müsse der Haushaltsausschuss im Bundestag den Etat umso strenger überprüfen, mahnte Schneider. "Dann werden wir auch hinterfragen, ob man diverse Förderprogramme in einer Aufschwungphase wie heute tatsächlich noch braucht." Da scheint das nächste Streitthema für die Koalition schon programmiert.

(RP)
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