Andrea Nahles vor Beginn der Koalitionsverhandlungen "Ich bin voller Mut, dass wir da viel rausholen"

Berlin · Union und SPD starten an diesem Freitag in die Verhandlungen über eine neue große Koalition. SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles zeigte sich vor Beginn der Gespräche zuversichtlich, der Union Zugeständnisse abringen zu können.

 Andrea Nahles neben Martin Schulz im Bundestag (Archivfoto).

Andrea Nahles neben Martin Schulz im Bundestag (Archivfoto).

Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

Mit Blick auf Forderungen ihrer Partei in der Gesundheitspolitik, beim Familiennachzug von Flüchtlingen und bei der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen sprach Nahles am Freitag im ARD-"Morgenmagazin" von "wichtigen Anliegen", die "gut begründet sind". "Und deswegen bin ich auch voller Mut, dass wir da viel rausholen."

Die Verhandlungen zur Bildung einer Regierungskoalition sollten "zügig" verlaufen, sagte Nahles. "Wir warten ja nun schon in Deutschland lange genug auf eine Regierung." Sie sei aber gegen "absolute Enddaten" wie etwa Karneval. Die Verhandlungen müssten "mit der nötigen Sorgfalt" geführt werden.

Der SPD werde es nicht an "Mut" und "Entschlossenheit" mangeln, zusammen mit CDU und CSU eine Regierung zu bilden, bekräftigte Nahles. "Aber es muss am Ende auch bei den Inhalten stimmen. Das ist natürlich schon unser Anspruch."

Auch die Bundeskanzlerin äußerte sich vor Beginn der Verhandlungen.Es gehe jetzt um eine neue Dynamik für Deutschland und nicht nur um einen neuen Aufbruch für Europa, sagte Angela Merkel am Freitag in der CDU-Zentrale in Berlin. Sie gehe "optimistisch, aber auch sehr bestimmt in die Gespräche", sagte die CDU-Vorsitzende. Sie werde sehr darauf achten, dass zügig verhandelt werde.

CSU-Chef Horst Seehofer unterstrich am Morgen, zu einem erfolgreichen Abschluss zu kommen. Allerdings seien die Gespräche nach dem SPD-Parteitag vom vergangenen Sonntag nicht leichter geworden, sagte Seehofer am Freitag in Berlin.

Derweil hat sich der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert hat sich dafür ausgesprochen, die SPD solle Koalitionsverhandlungen mit der Union abbrechen, wenn sich in wesentlichen Punkten keine Erfolge abzeichneten. "Scheitern muss eine Option sein", sagte Kühnert dem Berliner "Tagesspiegel" vom Freitag. Die Koalitionsverhandlungen beginnen am Freitagmorgen in Berlin.

Kühnert verwies auf die auf dem SPD-Sonderparteitag vor einer Woche beschlossenen Forderungen seiner Partei nach Korrekturen an den Ergebnissen der Sondierungsgespräche mit der Union. Sei bei Familiennachzug, sachgrundloser Befristung und Zwei-Klassen-Medizin nichts zu erreichen, müsse die SPD sagen: "Bis hierher und nicht weiter."

Union und SPD starten am Freitag, vier Monate nach der Bundestagswahl, ihre Verhandlungen über eine neue große Koalition. Zunächst kommen am Vormittag die Parteivorsitzenden Angela Merkel (CDU), Horst Seehofer (CSU) und Martin Schulz (SPD) in der CDU-Zentrale in Berlin zusammen. Dann trifft sich eine Runde von 15 Spitzenvertretern der drei Parteien, die als Steuerungsgremium dienen soll. Der Erwartungsdruck ist groß - die Wahl liegt mehr als 120 Tage zurück. Länger hat eine Regierungsbildung in der Bundesrepublik Deutschland noch nie gedauert.

Umstritten ist, wie schnell ein Abschluss gelingen kann. Die Union will mit den Verhandlungen bis Karneval fertig werden - die Hochphase des närrischen Treibens beginnt mit Weiberfastnacht am 8. Februar. Über einen Koalitionsvertrag sollen dann noch die mehr als 440.000 SPD-Mitglieder abstimmen. Dieser Prozess dauert nochmals drei Wochen.

SPD-Chef Schulz sagte am Donnerstagabend, man wolle in den nächsten zwei Wochen zügig, aber ohne Hektik verhandeln. Für eine stabile Regierung brauche es "Sorgfalt vor Schnelligkeit". Der Widerstand gegen eine große Koalition ist in der SPD groß. Auf dem Parteitag in Bonn hatten sich die Sozialdemokraten am vergangenen Sonntag nur mit knapper Mehrheit zu Verhandlungen mit der Union durchgerungen.

Die SPD geht mit drei Forderungen in die Gespräche, die über das Ergebnis der vorherigen Sondierungen hinausgehen: eine Einschränkung sachgrundloser Jobbefristungen, ein Einstieg in das Ende der "Zwei-Klassen-Medizin" - worunter die SPD das Ziel der Verschmelzung von gesetzlicher und privater Krankenversicherung versteht - und eine weitergehende Härtefallregelung für den Familiennachzug von Flüchtlingen mit eingeschränktem Schutzstatus.

Die Union lehnt grundlegende Änderungen an der gemeinsamen Sondierungsvereinbarung ab, vermeidet derzeit aber scharfe Töne. In der Gesundheitspolitik hatten Unionspolitiker signalisiert, sich Änderungen bei Honoraren für Landärzte oder bei den Wartezeiten für Arzttermine vorstellen zu können. Gesundheitsminister Hermann Gröhe sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Freitag): "Wir wollen weitere Verbesserungen für gesetzlich Versicherte, ob es um die Versorgung im ländlichen Raum oder einen schnelleren Zugang zum medizinischen Fortschritt geht." Zugeständnisse beim Familiennachzug und sachgrundlosen Jobbefristungen lehnt die Union ab.

(das/AFP/dpa)
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