Reaktionen aus der SPD Gabriel fordert „Entgiftung der SPD“ - Lauterbach spricht von „Frauenfeindlichkeit“

Berlin · Die Rücktrittsankündigung von Andrea Nahles als Partei- und Fraktionschefin der SPD ist für den ehemaligen Chef Sigmar Gabriel ein deutliches Signal. Er will seine Partei zur Frischzellenkur schicken.

 Sigmar Gabriel.

Sigmar Gabriel.

Foto: dpa/Kay Nietfeld

Nach der Rücktrittsankündigung von SPD-Chefin Andrea Nahles hat der ehemalige Parteichef Sigmar Gabriel eine „Entgiftung“ seiner Partei gefordert. „Solange die SPD sich nur mit sich selbst beschäftigt, solange es nur um das Durchsetzen oder Verhindern von innerparteilichen Machtpositionen geht, werden die Menschen sich weiter von uns abwenden“, sagte Gabriel am Sonntag der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“. Er betonte: „Die SPD braucht eine Entgiftung.“

Auch künftig dürfe in der SPD hart über inhaltliche Differenzen gestritten werden, erklärte Gabriel. „Das gab es immer, und das ist auch nötig in einer Partei.“ Nötig sei aber ein ehrliches Interesse an Menschen und ein freundlicher und solidarischer Umgang „nach innen und außen“. Auch Gabriel hatte vor kurzem angekündigt, er wolle sich aus dem Bundestag zurückziehen und bei der nächsten Wahl nicht mehr antreten.

Nach Ansicht von Fraktionsvize Karl Lauterbach habe bei der Personalie Andrea Nahles auch Frauenfeindlichkeit eine Rolle gespielt. Der Gesundheitsexperte warnte in der „Welt“ zugleich vor Schnellschüssen. „Wir dürfen jetzt nicht nach dem Motto verfahren: Der Nächste bitte!“ Deshalb sei es angebracht, „wenn die Fraktion und die Partei erst einmal kommissarisch weitergeleitet werden“.

„Da hat auch Frauenfeindlichkeit eine Rolle gespielt“, sagte Lauterbach. In der SPD müsse man sich nun überlegen, in welchem Stil man in Zukunft miteinander umgehen wolle. „Wir müssen darüber nachdenken, ob wir mit diesem Umgang tatsächlich Vorbild sein können.“

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer mahnt die SPD eindringlich zur Geschlossenheit. Die Lage sei "sehr, sehr ernst". Deshalb sei es nun angebracht, zu beraten und keine Entscheidung übers Knie zu brechen. Zugleich beklagt sie, dass es zuletzt an Solidarität gemangelt habe. "Wir müssen klar haben: Diese Partei ist in einer extrem ernsten Situation. Und wenn wir es jetzt nicht verstehen, zusammenzuhalten und solidarisch einen Weg da raus zu finden, dann sieht es wirklich schwarz aus für die SPD."

Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner warnte vor Schnellschüssen. Er zollte Nahles „allergrößten Respekt“ und kritisierte den Umgangsstil in der Partei, der „in den letzten Tagen und Wochen überhaupt nicht vom sozialdemokratischen Grundwert der Solidarität geprägt“ gewesen sei.

Niedersachsens SPD-Chef Stephan Weil hat seine Partei angesichts des Rückzugs von Nahles vor weiteren „destruktiven Personaldebatten“ gewarnt. „Es ist nun an der SPD insgesamt zu beweisen, dass sie aus Fehlern zu lernen vermag“, sagte er am Sonntag laut Mitteilung seiner Partei.

Der niedersächsische Ministerpräsident äußerte sich nicht zu der Frage, wer auf Nahles an der SPD-Spitze folgen könnte - bei der Debatte um einen Nachfolger wird immer wieder auch sein Name genannt. „Anstelle von destruktiven Personaldebatten sind politisch-inhaltliche Klärungen notwendig, die dann wiederum Grundlage von Personalentscheidungen sein müssen“, betonte Weil.

Weil fügte an, Nahles sei bereit gewesen, in einer schwierigen Situation die Gesamtverantwortung für die SPD zu übernehmen. Dabei habe sie unbestreitbare Erfolge erzielt. Dass der Zuspruch für die SPD in den letzten Monaten enttäuschend gewesen sei, habe die gesamte politische Führung und nicht allein Nahles zu verantworten.

Juso-Chef Kevin Kühnert hat das Verhalten der Sozialdemokraten untereinander kritisiert. „Alles beginnt mit einer einfachen Feststellung: Wer mit dem Versprechen nach Gerechtigkeit und Solidarität nun einen neuen Aufbruch wagen will, der darf nie, nie, nie wieder so miteinander umgehen, wie wir das in den letzten Wochen getan haben“, schrieb Kühnert am Sonntag auf Twitter. „Ich schäme mich dafür.“

Der SPD-Abgeordnete Florian Post nannte den Rücktritt dagegen „richtig und konsequent“. Er sagte der dpa: „Das war die letzte Möglichkeit, den Riss und die Spaltung wieder zu kitten.“ Post hatte Nahles in den vergangenen Tagen scharf kritisiert. In der Fraktion sei nun bis Dienstag Zeit, dass sich Kandidaten melden. Er gehe davon aus, dass mögliche Bewerber bereits an exponierter Stelle in der Fraktion gestanden hätten und den Abgeordneten deshalb bekannt seien.

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Axel Schäfer hat die Entscheidung begrüßt: „Ich respektiere den Schritt von Andrea Nahles und rechne ihr diesen verantwortungsvollen Umgang mit unserer Partei hoch an", sagte Schäfer unserer Redaktion. Die Fraktion sei das Spiegelbild unserer Basis. „In der Sitzung am Mittwoch wurde deutlich, dass der Rückhalt für Andrea Nahles nicht mehr ausreichend gegeben ist.“ Es gehe jetzt um einen geordneten Übergang. Schäfer fügte hinzu: „Ich appelliere auch an die Medien, respektvoll abzuwarten. Es geht in dieser historischen Krise um den Fortbestand der SPD als Volkspartei. Für die Koalition heißt das gar nichts. Wir ziehen im Herbst Bilanz.“

(felt/mja/dpa)
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