Andrea Nahles in der Kritik „Die Basis ist auf dem Baum“

Düsseldorf · Der Rückhalt für Andrea Nahles in der Partei ließ auch vor der Europawahl schon zu wünschen übrig. Das Vorziehen der Abstimmung über den Fraktionsvorsitz erzürnt aber nun die Parteibasis über die Maßen.

 Andrea Nahles am Montag nach der Europawahl.

Andrea Nahles am Montag nach der Europawahl.

Foto: AFP/TOBIAS SCHWARZ

SPD-Chefin Andrea Nahles bringt mit ihrer vorgezogenen Abstimmung über den Fraktionsvorsitz zunehmend die eigene Parteibasis gegen sich auf. Wie aus SPD-Kreisen verlautete, fordern immer mehr Kreisverbände in NRW, aber auch bundesweit, in Beschlüssen ihren Rücktritt. „Die Basis ist auf dem Baum“, hieß es. Die NRW-Parteizentrale bestätigte, dass viele Kreisverbände, insbesondere auch im Ruhrgebiet, ihr den Rückhalt entziehen.

Die Genossen seien insbesondere über Nahles‘ als eigenmächtig empfundenes Handeln erzürnt. Obwohl der SPD-Vorstand nach der Europawahl am Montag in zwei Telefonkonferenzen eindeutig festgelegt habe, Inhalte statt Personalien in den Vordergrund zu stellen, habe Nahles sich darüber hinweggesetzt und will nun in der kommenden Woche über den Fraktionsvorsitz neu abstimmen lassen. „Danach war in einigen Verbänden kein Halten mehr“, sagte ein Genosse. Jetzt entwickle sich gerade daraus eine Diskussion um ihre Person mit einer Dynamik, die nicht absehbar sei. Vielerorts werde neben Nahles‘ Rücktritt auch ein Vorziehen des Parteitages gefordert, der über die Halbzeitbilanz der Groko in Berlin abstimmen soll. Zugleich solle es einen Mitgliederentscheid über den Parteivorsitz geben. Auch SPD-Landeschef Sebastian Hartmann hatte bemängelt, dass Absprachen ausgeblieben waren.

Beschlüsse auf Kreisebene sind zwar für den Vorstand rechtlich nicht bindend, zeigen aber die Stimmung an der Basis an. Nahles hingegen beabsichtigt, mit der vorgezogenen Abstimmung die Kritik an ihrer Person und Amtsführung zum Verstummen bringen. Kurz vor der Europawahl hatte es Gerüchte gegeben, dass der SPD-Landesgruppenchef im Bundestag, Achim Post, oder der frühere Kanzlerkandidat Martin Schulz ihr den Posten streitig machen könnten. Diese wurden zum Teil erst mit Verzögerung dementiert.

Hinter den Kulissen werde zurzeit sondiert, ob ein Gegenkandidat zu Nahles genug Stimmen auf sich vereinigen und von den Parteiflügeln getragen werde, wie aus NRW-Parteikreisen verlautete. „Wenn sie Fraktionsvorsitzende bleibt, dann nur, weil man sich auf keinen anderen Kandidaten einigen konnte“, sagte ein SPD-Politiker aus NRW. Ihre vorgezogene Neuwahl wirke so, als wäre Nahles der eigene Posten wichtiger als die Gesamtpartei“.

Kritiker in der NRW-SPD werfen Nahles zudem vor, dass sie die angeblichen Putschisten nicht sofort zur Rede gestellt und damit nicht entschlossen genug gehandelt habe. Die Abgeordneten der SPD-Bundestagsfraktion beraten zur Stunde in Berlin über Konsequenzen aus den Niederlagen bei der Europa- und Bremenwahl.

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