60. Jahrestag des Mauerbaus An vielen Orten der Welt entstehen neue Mauern

Berlin · Als US-Präsident Ronald Reagan 1987 Sowjet-KP-Chef Michail Gorbatschow in Berlin zurief, die Mauer einzureißen, schien das Prinzip Mauerbau aus der Zeit gefallen zu sein. Zwei Jahre danach fiel sie. Doch inzwischen sind an vielen Stellen neue Befestigungswälle hochgezogen worden.

 Grenzkontrolle entlang des Zauns, der Mexiko von der US-amerikanischen Stadt Nogales in Arizona trennt.

Grenzkontrolle entlang des Zauns, der Mexiko von der US-amerikanischen Stadt Nogales in Arizona trennt.

Foto: AP/Charlie Riedel

Donald Trump entfernte sich verbal am meisten von Walter Ulbricht – und hatte letztlich doch am meisten mit ihm zu tun. Während der DDR-Staatsratschef die Reaktionen fürchtete und stattdessen lügend beteuerte, dass niemand daran denke, eine Mauer zu errichten, machte Trump mit dem Versprechen eines neuen Mauerbaus sogar Wahlkampf. Und er wollte nicht nur die 3100 Kilometer lange Grenze zwischen den USA und Mexiko für einen zweistelligen Milliardenbetrag zumauern – sondern dafür auch noch die Mexikaner gegen ihren Willen bezahlen lassen.

Nun – aus beidem ist nichts geworden. Der Senat verwehrte ihm lange den Zugriff auf amerikanische Steuermittel, und selbst die zwei Milliarden, die er am Ende durch den Trick einer Notstandserklärung aus dem Verteidigungshaushalt herausleierte, waren zum größten Teil noch nicht ausgegeben, als Amtsnachfolger Joe Biden das Manöver stoppen und die Umwidmung rückgängig machen konnte. So gehen etliche Millionen nun nicht in die Grenzbefestigung, sondern in den Neubau einer US-Grundschule in Spangdahlem in der Eifel.

Dennoch existierten schon vor Trump Hunderte von Kilometern Grenzbefestigung an den Stellen, an denen nicht der Rio Grande den Grenzverlauf markierte. Lediglich 130 Kilometer ließ Trump neu bauen, rund 70 davon als Mauer, den Rest als Stahlwand. Zusätzlich modernisierte er die Anlagen auf mehreren hundert Kilometern. Das alles änderte jedoch nichts an der Tatsache, dass das meiste der von Trump bekämpften Migration über ganz normale Visa stattfindet, deren Inhaber dann nach dem Ablauf ihrer Aufenthaltserlaubnis bleiben, oder über legale Asylbegehren.

Mag der Trump’sche Mauerbau vor allem in Europa für Empörung und Entsetzen gesorgt haben – die Europäer waren beim Grenzzaunerrichten deutlich schneller gewesen. Hatte Ungarn 1989 noch den Fall des Eisernen Vorhangs mit dem Aufschneiden der Grenzbefestigung nach Österreich vorangetrieben, so tat es sich 26 Jahre später im Jahr der Massenmigration damit hervor, die EU-Außengrenze auch baulich zu schließen: Auf 175 Kilometern Grenze zu Serbien entstand ein massiver Zaun mit Stacheldrahtrollen, zunächst weniger als zwei Meter hoch, nach und nach an immer mehr Stellen aber auf massive vier Meter erhöht.

Doch Ungarn war bei dieser Immer-höher-immer-dichter-Bewegung kein EU-Vorreiter. Bereits vier Jahre nach dem Mauerfall zog Spanien auf dem afrikanischen Festland die ersten massiven Zäune um ihre Enklaven Ceuta und Melilla. Als die Flucht von Marokko nach Europa immer mehr Menschen gelang, wurden die Grenzanlagen ab 2005 von drei auf sechs Meter erhöht. Es entstanden in der Folge krasse Bilder: Reiche urlaubende Europäer, und dicht dahinter arme afrikanische Flüchtlinge. Die Chiffre von der „Festung Europa“ war geboren.

Zur gleichen Zeit begann auch die israelische Regierung, auf massive Grenzbefestigungen in der Abwehr von palästinensischem Terror zu setzen. Nach und nach riegelte Jerusalem auf 760 Kilometern die Palästinenser in der Westbank von Israel ab. Die Abfolge von Metallzaun mit Stacheldraht, Graben, Bewegungsmelder, Sandstreifen und Patrouillenweg ähnelte bereits wieder sehr stark den gestaffelten Befestigungsanlagen an der Berliner Mauer und folgt der Erkenntnis, dass eine massive, aber nicht kontrollierte Mauer ihren Schrecken verlieren kann.

Neue Mauern sind hinzugekommen. Viele in den Köpfen. Eine reßt auch US-Präsident Joe Biden immer noch nicht nieder: Den Reisestopp für Touristen, die aus Europa in die USA wollen. Auch wenn die Inzidenz hier niedriger ist, auch wenn sie genesen und geimpft sind, sie dürfen nicht rein in die USA. Eine Mauer im Atlantik also. Denn sie ist wie alle Mauern: Sie unterbindet unterschiedslos die Reisefreiheit mit grenzwertigen Begründungen.

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