Konsens in Endlagersuche gefährdet Altmaier stößt auf Widerstand in Schleswig-Holstein

Berlin · Umweltminister Peter Altmaier umarmt in der Endlagerfrage seit Wochen jeden, der sich in den Weg stellt. Am Freitag beschwört er im Bundestag mit aller Hingabe den großen Konsens. Die Opposition kann sich der Neustart-Rhetorik kaum entziehen. Doch nun droht ein Bundesland, alles über den Haufen zu werfen.

Peter Altmaier - Bundeswirtschaftsminister und enger Vertrauter der Kanzlerin
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Das ist Peter Altmaier

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Foto: dpa/Sebastian Kahnert

"Historischer Neustart": So feierten Bund und Länder im April die Einigung auf eine bundesweite Atommüllendlager-Suche. Im Bundestag bekennen sich am Freitagvormittag fast alle dazu - doch besonders Schleswig-Holstein droht wegen vieler offener Fragen mit einem Nein zum Suchgesetz.

Bei seiner Regierungserklärung im Bundestag stemmt sich Minister Altmaier (CDU) mit aller Macht gegen ein mögliches Scheitern des geplanten Gesetzes für eine bundesweite Suche nach einem Atommüllendlager. "Dieser Konsens ist ein historischer Durchbruch", wiederholt Altmaier das Mantra aus dem April.

Erwünscht ist die weiße Landkarte

Das Parlament ist an diesem Freitag zur ersten Beratung seines Gesetzentwurfs zusammengekommen. Alle Fraktionen - bis auf die Linke - schließen sich im Kern Altmaiers Konsensrhetorik an. Gemeinsame Grundlage ist die Vereinbarung vom 9. April, in der Bund und Länder sich überparteilich einigten.

Demnach soll bis Ende 2015 zunächst eine 24-köpfige Kommission die Kriterien für die neue Suche erarbeiten. Von 2016 bis 2023 werden bundesweit - ausgehend von einer "weißen Landkarte" - mehrere geeignete Standorte in Salz-, Ton- oder Granitgestein ausgewählt, anschließend sollen mindestens zwei Standorte unterirdisch verglichen werden. Bis 2031 soll das Endlager in einer Entscheidung des Bundestags bestimmt werden.

Altmaier mahnt, Trittin mahnt zurück

Im Bundestag ist nun viel von Vertrauen die Rede. Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) betont, Altmaier müsse seine Zusage einlösen, dass keine weiteren Castor-Behälter in das oberirdische Zwischenlager im niedersächsischen Gorleben kämen - sonst werde jegliches Vertrauen in den Neustart zerstört. Der nahe des Zwischenlagers gelegene Salzstock ist seit über 35 Jahren die einzige Option.

"Wir wollen dieses Kapitel gemeinsam gestalten", sagte Altmaier - eine Mahnung, den erstmaligen Konsens in der Endlagerfrage nicht gleich wieder zu torpedieren. Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin bekannte sich zur Einigung, die offenen Fragen seien aber keine Kleinigkeiten.

Albig stellt Bedingungen

Zumal Schleswig-Holstein Altmaier mit einer schweren Hypothek in den Bundestag geschickt hat. Das Bundesland stellt dem Minister eine Art Ultimatum. Die geplante rasche Verabschiedung des Gesetzes zur Endlagersuche könne es nur geben, wenn bis Mitte Juni sechs noch offene Punkte geklärt würden, heißt es in einem Schreiben von Ministerpräsident Torsten Albig (SPD), das der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Schleswig-Holstein pocht unter anderem auf eine definitive Klärung der Castor-Frage. 26 Castor-Behälter werden noch aus der Wiederaufarbeitung im Ausland zurückerwartet und müssen irgendwo zwischengelagert werden. Einige sollen nach Brunsbüttel (Schleswig-Holstein) und Philippsburg (Baden-Württemberg), benötigt wird aber eine dritte Option. Ohne Zustimmung Schleswig-Holsteins könnte das Gesetz an den dann fehlenden Zwischenlagerkapazitäten scheitern. Im Namen der SPD-regierten Länder fordert Albig eine Klärung bis zur Ministerpräsidentenkonferenz am 13. Juni mit Antworten von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Außerdem ist da noch die Kostenfrage

Zu den Forderungen gehört auch die nach einer Klärung, wer die Kosten für die Polizeieinsätze bei den Castor-Transporten in den Ländern übernimmt sowie eine definitive Zusage der AKW-Betreiber, die Kosten der neuen Suche zu tragen. Außerdem soll untersagt werden, die Genehmigungen der auf 40 Jahre ausgelegten Zwischenlager zu verlängern.

So soll es genug Druck geben, rasch ein Endlager zu finden. In einer ersten Version des Briefes stand auch der Name von Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne), doch er machte einen Rückzieher, um den Konsens nicht zu gefährden.

Altmaier zeigte sich zuletzt überzeugt, dass es bis zur Verabschiedung des Gesetzes im Juli gelingt, die Zwischenlager-Frage zu klären. Er schließt aus, dass Castor-Behälter mit hochradioaktiven Abfällen im westfälischen Ahaus zwischengelagert werden. Ahaus sei "für mittelradioaktive Abfallstoffe konzipiert".

(dpa/pst/hip/jco)
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