Interview mit Peter Altmaier Altmaier erwartet steigende Strompreise

Düsseldorf · Der neue Umweltminister Peter Altmaier hat den Umbau der deutschen Energieversorgung nach einem Jahr des Stillstands forsch angegangen. Jetzt sieht er die Konzerne, die Industrie und die Umweltverbände in der Pflicht. Die Energiewende werde nicht scheitern. Auf Verbraucher kommen allerdings Belastungen zu.

Peter Altmaier - Bundeswirtschaftsminister und enger Vertrauter der Kanzlerin
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Foto: dpa/Sebastian Kahnert

Herr Minister, die Arbeiten zur Energiewende in Deutschland seit der Katastrophe von Fukushima haben reichlich spät begonnen. Können Sie ein Scheitern wirklich ausschließen?

Altmaier Ich bin sicher, dass die Energiewende nicht scheitern wird, wenn wir jetzt die richtigen Entscheidungen treffen. Dazu müssen sich alle Akteure auf ein gemeinsames Konzept verständigen. Wenn das klappt, wird die Energiewende zu einem großen Erfolgsprojekt, das dem Wiederaufbau nach dem Krieg vergleichbar ist.

Wir sehen nicht, dass sich die Akteure einig sind. Die Industrie beklagt die unrealistischen Vorgaben der Politik, den Umweltverbänden geht es nicht schnell genug.

Altmaier Die Energiewende hat viele schockiert. Andere haben Nachhutgefechte geführt. Deshalb haben wir ein Jahr verloren. Tatsächlich hat die Energiewende jetzt erst begonnen. Richtig ist aber auch, dass bereits heute ein Viertel des Stroms aus erneuerbaren Energien kommt.

Warum befinden sich die großen Energiekonzerne noch immer im Schmollwinkel?

Altmaier Das sehe ich nicht. Konzerne wie RWE setzen verstärkt auf erneuerbare Energien, auch hier in Nordrhein-Westfalen.

Zunächst einmal haben Sie mit dem neuen RWE-Chef Terium ein Braunkohlekraftwerk eröffnet, das 17 Millionen Tonnen Kohlendioxid ausstößt.

Altmaier Das habe ich als Umweltminister bewusst getan. Im Braunkohlekraftwerk Neurath kommt die effizienteste Technik, die derzeit weltweit verfügbar ist, zum Einsatz. Das Kraftwerk ersetzt alte Blöcke. Das ist ein Beitrag zum Umweltschutz und zu einer sicheren Energieversorgung ohne Kernkraft.

Tun die Konzerne bei den Erneuerbaren wirklich alles, was möglich ist?

Altmaier RWE und auch andere Konzerne engagieren sich mit voller Kraft in der Windenergie und in der Solartechnik. Die Energiewende ist auch bei den Riesen der Stromversorgung angekommen. Sie haben die Zeichen der Zeit erkannt.

Wenn Sie jetzt Gas geben beim Umbau der Energieversorgung, wie teuer wird das den Verbraucher zu stehen kommen?

Altmaier Energie muss bezahlbar bleiben, auch für Bezieher geringerer Einkommen. Deshalb darf der Preisanstieg nur moderat ausfallen.

Der schnelle Ausbau der Solarenergie wird im Herbst zu einer Verteuerung des Stroms führen. Mit welcher Größe rechnen Sie?

Altmaier Das legt die Energiewirtschaft fest. Es gibt Experten, die eine Preiserhöhung von fünf Prozent erwarten. Ich hoffe, dass wir etwas darunter liegen können.

In die Förderung der Solarenergie fließen mehr Subventionen als in den Erhalt der heimischen Steinkohle. Müssen Sie nicht auf die Bremse treten?

Altmaier Wir haben im Bundestag und Bundesrat einstimmig festgelegt, dass die Förderung neuer Solaranlagen zurückgefahren wird. Die Förderung des Solarstroms wird ganz auslaufen, wenn wir das Ziel von 52 Gigawatt an Leistungskapazität erreicht haben. Das ist für 2020 vorgesehen. Falls wir das Ziel früher schaffen, läuft die Förderung entsprechend früher aus.

Ist die Einspeisevergütung für Solarstrom nicht zu hoch?

Altmaier Die automatische Degression wird den Preis für die vergütete Kilowattstunde Solarstrom für Neuanlagen von derzeit 18,5 Cent irgendwann auf zwölf Cent senken.

Auch sonst ist das Gesetz über die Einspeisung von erneuerbaren Energien an seine Grenze gekommen. Können Sie dem Bürger die hohen Kosten weiter zumuten?

Altmaier Wir haben in den vergangenen Jahren mehr Windkraftanlagen, Biomasse-Reaktoren und Solarzellen gebaut als geplant. Deshalb rede ich in den kommenden Wochen mit Energieversorgern, Umweltverbänden und Herstellerunternehmen, wie wir den Zubau begrenzen und auf die vorhandenen Netze abstimmen können. Denn hier liegt der wahre Engpass.

Und die großen Verbindungen zwischen Windkraftparks in der Nordsee und den Abnehmern im Süden und Westen fehlen ja noch immer.

Altmaier Deshalb hat der Ausbau der Netze die höchste Priorität ...

... und trifft auf den Widerstand der Bürger vor Ort.

Altmaier Ich habe in meinem Ministerium eine Unterabteilung eingerichtet, die mit allen Beteiligten das Gespräch sucht. Am Ende werden aber Entscheidungen getroffen werden müssen. Das heißt, wir müssen den Bürgern einiges zumuten. Gleichzeitig setze ich alles daran, dass die Eingriffe in die Natur so minimal wie möglich ausfallen und die Beeinträchtigungen für die Menschen nicht über das absolut notwendige Maß hinausgehen.

Ihr Kabinettskollege, Wirtschaftsminister Rösler, will Umweltauflagen außer Kraft setzen. Einverstanden?

Altmaier Es werden derzeit viele Vorschläge gemacht, die darauf hinauslaufen, europäische Richtlinien außer Kraft zu setzen. Das wird die Europäische Kommission nicht erlauben. Ansonsten glaube ich, dass wir mit dem bestehenden Planungsrecht auskommen. Dort gibt es auch Möglichkeiten der Beschleunigung.

Eine andere Kabinettskollegin, Verbraucherschutzministerin Aigner, will die Haftungsübernahme für die Finanzierung des milliardenschweren Nordseekabels nicht mittragen. Kommt die Energiewende in Verzug?

Altmaier Ich bin überzeugt, dass wir die Vorschläge in der nächsten Woche einvernehmlich verabschieden werden.

(kes)
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