Ringen um Mehrheit Allgemeine Corona-Impfpflicht wackelt

Berlin · Kommt sie, oder kommt sie nicht? Die allgemeine Impfpflicht ist umstritten. Derzeit wird zwischen den Fraktionen um Mehrheiten gerungen. Die Zeit drängt.

 Eine Frau lässt sich gegen Covid-19 impfen. (Archiv)

Eine Frau lässt sich gegen Covid-19 impfen. (Archiv)

Foto: dpa/Moritz Frankenberg

Kaum ein anderes Gesetzesvorhaben ist derzeit so umstritten wie die allgemeine Impfpflicht zur Bekämpfung der Corona-Pandemie. Während Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (beide SPD) sich klar dafür aussprechen, finden sie in den Fraktionen ihrer Ampel-Regierung nicht genug Fürsprecher. Jetzt geht das Ringen um eine parlamentarische Mehrheit in die entscheidende Phase.

Das Ziel: Möglichst viele der Abgeordneten von SPD, Grünen und FDP an Bord zu holen und zusätzlich Unionsabgeordnete zu gewinnen, um die Impfpflicht auf den Weg zu bringen. Nach Informationen unserer Redaktion laufen derzeit die Gespräche zwischen allen Fraktionen. Bis zum Wochenende wird eine Lösung angestrebt, hinter der sich eine benötigte Mehrheit von mindestens 369 Abgeordneten versammeln kann. Ob das gelingt, ist jedoch völlig offen.

Um den Druck zu erhöhen, hat Lauterbach sich bereits zuversichtlich geäußert, dass ein Kompromiss für die Einführung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht in Deutschland erreicht werden kann. Nach seiner Kenntnis werde an einem gemeinsamen Vorschlag gearbeitet, sagte der SPD-Politiker am Mittwoch in Berlin. Er rechne damit, dass dieser sein Ministerium spätestens in den nächsten Tagen erreiche, so dass möglicherweise ein gemeinsamer Entwurf formuliert werden könne. Die Kompromisslinien, die sich abzeichneten, seien überzeugend und klug.

Er sei „sehr zuversichtlich“ und gehe davon aus, dass dieses wichtige Gesetz durchgesetzt werden könne, fügte Lauterbach hinzu. Davon hinge mit Blick auf die Lage im Herbst sehr viel ab. Nähere Angaben zu den Kompromisslinien machte Lauterbach nicht.

Lauterbach hatte mehrfach davor gewarnt, dass ohne Impfpflicht im Herbst nicht genug Menschen eine Immunisierung hätten. Insbesondere die Gruppe der über 60-Jährigen laufe dann Gefahr, schwer zu erkranken. Das Gesundheitssystem könnte an Kapazitätsgrenzen stoßen, in dem Zusammenhang warnte Lauterbach auch vor einem möglichen harten Lockdown.

Vor der geplanten Abstimmung ohne sonst übliche Fraktionsvorgaben im Bundestag in der kommenden Woche ist aber noch keine Mehrheit gesichert. Den größten Rückhalt mit 236 Unterzeichnern hat ein Entwurf einer Abgeordnetengruppe für eine Impfpflicht ab 18 Jahren, den auch Lauterbach unterstützt. Daneben gibt es einen Entwurf einer Gruppe für eine Impfpflicht ab 50 Jahren. Ein weiterer Gruppenantrag lehnt eine Pflicht ab. Die Union hat einen abgestuften Vorschlag vorgelegt, mit dem eine Impfpflicht zwar beschlossen wird, aber erst in Stufen aktiviert werden soll, wenn die Pandemielage dies erfordert. „Als Union haben wir einen ausgewogenen Kompromissvorschlag unterbreitet, dem sich jeder anschließen kann. Wir als Unionsfraktion sind aber keine Mehrheitsbeschaffer der SPD für eine pauschale Impfpflicht ab 18 und bleiben geschlossen bei unserem Antrag“, sagte nun Tino Sorge (CDU), gesundheitspolitischer Sprecher der Unionsfraktion, unserer Redaktion. „Dass mittlerweile auch zahlreiche SPD-Abgeordnete auf uns zukommen und unseren Vorschlag für einen guten Weg halten, bestärkt uns“, sagte er.

Klar ist: Selbst wenn es gelänge, die bereits bekannten Unterstützer beider Impfpflicht-Vorschläge zusammenzubringen, hätten sie keine Mehrheit im Parlament. Zugleich zeigten sich Vertreter der Gruppen zuversichtlich, dass der überwiegende Teil der Abgeordneten offen für eine Impfpflicht ist und ein Kompromiss genug Fürsprecher bekommen werde.

Inwiefern das aktuelle Infektionsgeschehen den politischen Druck für eine Impfpflicht erhöht, bleibt abzuwarten. Zuletzt zeichnete sich eine leichte Tendenz zu sinkenden Inzidenzzahlen ab, nachdem in den vergangenen Wochen immer neue Infektionsrekorde gemeldet wurden. Unterdessen erlahmt die Impfkampagne der Bundesregierung immer weiter. Am Mittwoch verzeichnete das RKI nur noch 54.112 Impfungen. 5163 Personen ließen sich erstmals impfen. 76,6 Prozent der Bevölkerung sind nun mindestens einmal geimpft.

(jd/dpa)
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