Kriseninstrument So funktioniert die Vertrauensfrage im Bundestag

Berlin · Nach ihrer Kehrtwende bei der Osterruhe am Mittwoch forderte die Opposition Bundeskanzlerin Angela Merkel auf, die Vertrauensfrage zu stellen. Doch ist eine solche Aufforderung rechtlich bindend? Alle wichtigen Infos zur Vertrauensfrage.

 Die Vertrauensfrage ist in Artike 68 des Grundgesetzes verankert.

Die Vertrauensfrage ist in Artike 68 des Grundgesetzes verankert.

Foto: dpa/Julian Stratenschulte

Was genau ist die Vertrauensfrage?

Die Vertrauensfrage ist ein Instrument, mit dem Krisen zwischen Parlament und Regierung bewältigt werden sollen. Ziel ist eine handlungsfähige Regierung. Die Bundeskanzlerin kann also durch einen Antrag überprüfen lassen, ob sie noch die Zustimmung der Mehrheit der Bundestagsabgeordneten hat. Ist das der Fall, kann sie damit ihre Position als Kanzlerin stärken. Erhält sie nicht die mehrheitliche Zustimmung, kann der Bundespräsident auf Vorschlag der Kanzlerin binnen 21 Tagen den Bundestag auflösen. Die Gesetzesgrundlage für die Vertrauensfrage bildet Artikel 68 des Grundgesetzes.

Wer kann die Vertrauensfrage stellen?

Dieses Instrument steht einzig und allein der Bundeskanzlerin zu. Fordern Mitglieder des Bundestags die Kanzlerin zur Vertrauensfrage auf, ist das rechtlich nicht bindend – die Kanzlerin muss dem also nicht nachkommen.

Wie funktioniert die Vertrauensfrage?

Die Bundeskanzlerin hat jederzeit die Möglichkeit, im Bundestag den Antrag zu stellen, ihr das Vertrauen auszusprechen. Das kann auch in Verbindung mit einem Gesetzentwurf oder einem Sachantrag geschehen.

Wie die Kanzlerin abstimmen lässt, ist gesetzlich nicht geregelt. In den fünf bisherigen Fällen wurde die Form der sogenannten Namentlichen Abstimmung gewählt, also einer offenen Abstimmung. Dabei erhalten die Abgeordneten personenbezogene Stimmkarten, die sie in Wahlurnen einwerfen.

Zwischen dem Antrag und der Abstimmung müssen laut Gesetz 48 Stunden liegen. Diese Frist dient dazu, jeder und jedem Abgeordneten die Teilnahme an der Abstimmung zu ermöglichen – und ihnen Bedenkzeit für ihre Entscheidung zu verschaffen.

Was ist der Unterschied zum Misstrauensvotum?

Während bei der Vertrauensfrage die Kanzlerin die Initiative ergreift, wird das Misstrauensvotum durch einen Antrag des Parlaments herbeigeführt. Der muss von einer Mindestzahl von Abgeordneten unterstützt werden. Wird dabei gleichzeitig ein Nachfolger oder eine Nachfolgerin benannt, spricht man von einem konstruktiven Misstrauensvotum, das in Artikel 67 des Grundgesetzes geregelt ist. Wird das Misstrauen ausgesprochen, ohne eine neue Kandidatin oder einen neuen Kandidaten für das Bundeskanzleramt zu nennen, ist vom destruktiven Misstrauensvotum die Rede.

Wer hat die Vertrauensfrage bereits gestellt?

  • 1972 fand der Antrag von Bundeskanzler Willy Brandt (SPD), ihm das Vertrauen auszusprechen, nicht die erforderliche Mehrheit.
  • 1982 stellte Bundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) die Vertrauensfrage und erhielt die Zustimmung sämtlicher Abgeordneter der sozialliberalen Regierungskoalition, SPD- und FDP-Abgeordneter, und damit am 5. Februar 1982 die Bestätigung für seine Regierung.
  • Ebenfalls 1982 stellte Bundeskanzler Helmut Kohl (CDU) die Vertrauensfrage, um noch vor Ablauf der Wahlperiode Neuwahlen zum Bundestag zu ermöglichen.
  • Im November 2001 stellte Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) die Vertrauensfrage. Er verband sie mit einem Sachantrag zur Abstimmung über den Kriegseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan.
  • Am 1. Juli 2005 stellte Bundeskanzler Schröder erneut die Vertrauensfrage, diesmal – wie 1982 Bundeskanzler Kohl – mit dem Willen, Neuwahlen zum Bundestag herbeizuführen. Die Vertrauensfrage 2005 mündete in die anschließende Auflösung des Bundestages.
(bora)
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