Thilo Sarrazin unter Druck "Allah möge ihm mehr Verstand geben"

Frankfurt/Istanbul (RPO). Nach seinen abfälligen Äußerungen über Einwanderer in Berlin gerät Bundesbank-Vorstand Thilo Sarrazin zunehmend unter Druck. Bundesbankpräsident Axel Weber legte ihm am Wochenende indirekt den Rücktritt nahe. Kritik zu den Bemerkungen Sarrazins kam auch von einem Kollegen aus der Türkei.

Thilo Sarrazin liebt klare Worte
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Foto: AP

Weber äußerte sich am Samstag beim Jahrestreffen des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank in Istanbul zu dem Fall. Er kritisierte dabei den "Reputationsschaden", der der Bank entstanden sei, wie ein Bundesbanksprecher bestätigte. Wer gegen den Verhaltenskodex des Instituts verstoße, müsse "mit sich selbst ins Gericht gehen", setzte er den Angaben zufolge hinzu. Beobachter werteten die Aussagen Webers als für Bundesbank-Verhältnisse außergewöhnlich scharf.

Die Bundesbankgewerkschaft unterstützte ausdrücklich die Stoßrichtung Webers. "Mit seinen Äußerungen hat Sarrazin dem Ansehen der Deutschen Bundesbank erheblichen Schaden zugefügt", hieß es in einer Mitteilung der Gewerkschaft. Er sei "deshalb als Mitglied des Vorstandes der Deutschen Bundesbank nicht mehr tragbar". Die Gewerkschaft kritisierte insbesondere die "ehrverletzende Art und Weise der Äußerungen".

Parteiausschluss gefordert

Die Berliner SPD-Bundestagsabgeordnete Eva Högl forderte ein Parteiausschlussverfahren, weil der Ex-Politiker ihrer Meinung nach in der Sozialdemokratie "untragbar" ist. "Die Parteigliederung, bei der Herr Sarrazin Mitglied ist, sollte ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn einleiten. Dafür liegen nun ausreichend Anhaltspunkte vor", sagte Högl gegenüber unserer Redaktion. Högl wird im November beim SPD-Bundesparteitag für den Parteivorstand kandidieren. "Er ist schon lange kein Sozialdemokrat mehr", fügte sie hinzu.

Auch der deutsch-türkische Politiker und Reiseunternehmer Vural Öger forderte den Ausschluss Sarrazins aus der SPD. Dieser droht dem Politiker ohnehin, nachdem der SPD-Ortsverband Alt-Pankow die Einleitung eines Parteiordnungverfahrens beantragt hat. Zudem prüft die Berliner Staatsanwaltschaft den Anfangsverdacht auf Volksverhetzung. Der 64-Jährige gehört der SPD seit 1973 an.

Halbherzige Entschuldigung

Sarrazin hatte sich in einem Interview mit der Zeitschrift "Lettre International" kritisch zur sozialen und politischen Lage in Berlin geäußert. Besonders hart war Sarrazin mit türkischen und arabischen Einwanderern ins Gericht gegangen. Diese seien zu großen Teilen "weder integrationswillig noch integrationsfähig", sagte Sarrazin dem Magazin. Sie hätten "keine produktive Funktion, außer für den Obst- und Gemüsehandel". Der frühere Berliner Senator fügte hinzu: "Ich muss niemanden anerkennen, der vom Staat lebt, diesen Staat ablehnt, für die Ausbildung seiner Kinder nicht vernünftig sorgt und ständig neue kleine Kopftuchmädchen produziert."

Nach heftiger Kritik hatte Sarrazin erklärt, nicht jede Formulierung sei "gelungen" gewesen und sich entschuldigt. Der frühere Berliner Finanzsenator Sarrazin war erst vor wenigen Monaten in den Bundesbank-Vorstand gewechselt. Besonders heikel ist der Fall, weil Bundesbank-Chef Weber den umstrittenen Text für "Lettre International" nach übereinstimmenden Medienberichten schon vor der Veröffentlichung kannte und Sarrazin demnach im Vorfeld vergebens um Änderungen gebeten hatte. Entlassen kann Weber Sarrazin nicht, die Bankvorstände werden vom Bundespräsidenten auf Vorschlag von Bundesregierung und Bundesrat für mindestens fünf Jahre bestellt.

Kritik aus der Türkei

Kritik kam am Wochenende auch aus der Türkei. Der Vizechef der dortigen Zentralbank, Ibrahim Turhan, sagte nach einer Meldung der Zeitung "Sabah" vom Sonntag zum Fall Sarrazin: "Allah möge ihm mehr Verstand geben".

Sarrazin hatte sich als Berliner Finanzsenator Respekt erworben, da er binnen sieben Jahren den hoch verschuldeten Haushalt der Bundeshauptstadt wieder in die schwarzen Zahlen brachte. Mit abwertenden Sprüche über Hartz-IV-Empfänger, Geringverdiener und Beamte löste er aber nicht nur unter Parteifreunden wiederholt Fassungslosigkeit aus.

(AFP/sdr)
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