Debatte nach Unfall-Drama in Südtirol Schon bei weniger als 0,5 Promille im Blut fährt das Risiko mit

Düsseldorf · Der schreckliche Unfall in Südtirol war offenbar Folge einer Alkoholfahrt mit 2,0 Promille. Doch auch bei Werten weit darunter sind die Ausfallerscheinungen erheblich. Was dann mit dem Körper passiert.

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Sieben Deutsche sterben bei Unfall in Südtirol

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Das Entsetzen nach dem Unfall in Südtirol, bei dem sieben junge Deutsche gestorben ist, ist groß. Der Unfallfahrer soll einen Alkoholwert von 2,0 Promille im Blut gehabt haben. Ihn erwartet in Italien nun eine lange Haftstrafe.

Ein Blick in andere Länder zeigt: Alkohol am Steuer ist in vielen Ländern tabu, etwa in Estland, Rumänien oder der Slowakei. Dafür gibt es gute Argumente: Tests haben ergeben, dass bereits ab einer Konzentration von 0,3 Promille im Blut die Fahrtüchtigkeit eingeschränkt ist. Probanden zeigten nach Angaben des ADAC erste leichte Beeinträchtigungen der Sehleistung, eine steigende Risikobereitschaft sowie nachlassende Aufmerksamkeit und Reaktionsvermögen. Ab 0,5 Promille ist zusätzlich die Hörleistung beeinträchtigt und die Fähigkeit, Geschwindigkeiten richtig einzuschätzen. Wie stark diese Ausfallerscheinungen ausgeprägt sind, ist individuell unterschiedlich.

Was nur wenigen bekannt ist: Trotz der geltenden Promillegrenze von 0,5 kann sich in Deutschland auch ein Autofahrer strafbar machen, der weniger Alkohol konsumiert hat. Wem ab 0,3 Promille Alkohol im Blut ein Fahrfehler unterläuft oder wer Ausfallerscheinungen zeigt, kann wegen Trunkenheit im Verkehr zur Verantwortung gezogen werden. „Diese Strafbarkeit der relativen Fahrunsicherheit ist vielen Autofahrern nicht bekannt“, warnt Rechtsanwalt Christian Demuth aus Düsseldorf. „Bei einer Kontrolle verhalten sie sich dann schnell falsch und der Führerschein gerät dadurch erst richtig in Gefahr.“ 0,3 Promille können schon bei einer Flasche Bier erreicht sein.

Ein absolutes Alkoholverbot gilt in Deutschland nur für junge Autofahrer unter 21 Jahren. Laut Statistischem Bundesamt sind viele der alkoholisierten Beteiligten an Unfällen mit Personenschaden relativ jung. Im Jahre 2017 waren 16,9 Prozent der alkoholisierten Beteiligten zwischen 18 und 24 Jahre alt und weitere 26,4 Prozent zwischen 25 und 34 Jahre alt. „Hierbei sind besonders männliche Fahrer in Alkoholunfälle mit Personenschaden verwickelt“, schreibt der ADAC. Jährlich verunglücken in Deutschland über 15.000 Menschen, weil Alkohol am Steuer im Spiel war. Dabei handele es sich oft um besonders schwere Unfälle.

Die gute Nachricht: Seit Beginn der 1970er Jahre gingen die Unfälle unter Alkoholeinfluss in Deutschland um 74 Prozent zurück. In den kommenden Jahren könnte das Thema Alkohol am Steuer ganz der Vergangenheit angehören. Und das ohne Verbote: Forscher haben bereits einen Autositz entwickelt, der so genannte Vitaldaten wie Herzschlag, Hauttemperatur oder Atmung messen kann. Vorschläge, wie solche Physiowerte während der Fahrt gemessen werden können, kommen zum Beispiel aus den Labors des Aachener Helmholtz-Instituts für Biomedizinische Technik und der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH), deren Wissenschaftler auf diesem Gebiet eng mit Ford zusammenarbeiten. Sie haben ein "kabelfreies, kapazitativ gekoppeltes EKG-Messystem" für Autositze entwickelt – einen "Heart Rate Monitoring Seat". Bei Auffälligkeiten jedweder Art könnte sich das Auto schlicht weigern, zu starten.

(kib)
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