„Vogelschiss in der Geschichte“ Gauland löst mit seiner Relativierung der NS-Zeit Empörung aus

Berlin/Seebach · Am Rande eines Bundeskongresses der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative hatte Alexander Gauland die Zeit des Nationalsozialismus als einen „Vogelschiss in der Geschichte“ bezeichnet. Das sorgt für viel Empörung.

 Alexander Gauland beim Bundeskongress der Jungen Alternative.

Alexander Gauland beim Bundeskongress der Jungen Alternative.

Foto: dpa/Alexander Prautzsch

Der SPD-Vizevorsitzende Ralf Stegner bezeichnete Gauland wegen seiner Relativierung der Zeit des Nationalsozialismus in Deutschland auf Twitter als einen „Hetzer der übelsten Sorte“ und schrieb: „Solche Typen gehören nicht ins Parlament. Aufstehen! Rauswählen!“ Das Internationale Auschwitz Komitee erklärte: „Für Auschwitz-Überlebende wirken die kühl kalkulierten und hetzerischen Äußerungen Gaulands nur noch widerlich.“

Der Partei- und Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag hatte am Samstag beim Bundeskongress der AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative im thüringischen Seebach gesagt: „Hitler und die Nazis sind nur ein Vogelschiss in über 1000 Jahren erfolgreicher deutscher Geschichte.“

Dieser mit Beifall quittierte Satz fiel nach einem Bekenntnis Gaulands zur Verantwortung der Deutschen für den Nationalsozialismus von 1933 bis 1945. „Ja, wir bekennen uns zur Verantwortung für die zwölf Jahre“, sagte Gauland. Er machte aber auch deutlich, dass das nur ein Teil der deutschen Geschichte sei: „Wir haben eine ruhmreiche Geschichte - und die, liebe Freunde, dauerte länger als die verdammten zwölf Jahre.“

CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer schrieb auf Twitter: „50 Mio. Kriegsopfer, Holocaust und totaler Krieg für AfD und Gauland nur ein „Vogelschiss“! So sieht die Partei hinter bürgerlicher Maske aus.“ SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil twitterte: „Das ist eine erschreckende Verharmlosung des Nationalsozialismus. Es ist eine Schande, dass solche Typen im Deutschen Bundestag sitzen.“

Sätze wie dieser seien „keine Ausrutscher, sondern System“, erklärte der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck. Die AfD schreibe die Geschichte um. „Die Kurve der AfD von eurokritisch über ausländerfeindlich zu völkisch ist steil und abschüssig.“ Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Marco Buschmann, twitterte: „Gauland unterschreitet wieder jedes Niveau.“

Der erste Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte, nannte Gaulands Äußerungen „zynisch und geschichtsvergessen“. „In diesen zwölf Jahren war Deutschland für den Tod von mehr Menschen verantwortlich als in allen Epochen zuvor. Spätestens jetzt weiß jeder, woran er bei dieser Partei ist“, sagte er. „Wer die Untaten der alten Nazis verharmlost, ist der Steigbügelhalter der neuen Nazis“, schrieb der frühere SPD-Vorsitzende Martin Schulz.

Thüringens Partei- und Fraktionschef Björn Höcke, der auch Gast des Bundeskongresses der Jungen Alternative war, hatte im vergangenen Jahr mit der Forderung nach einer „erinnerungspolitischen Wende um 180 Grad“ für heftige Debatten gesorgt. Ein Parteiausschlussverfahren gegen Höcke, das noch der alte Bundesvorstand unter der damaligen AfD-Vorsitzenden Frauke Petry eingeleitet hatte, hat das Thüringer Parteischiedsgericht inzwischen beendet. Es lehnte einen Parteiausschluss Höckes ab.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier verurteilte eine Verharmlosung der Verbrechen der Nationalsozialisten in Deutschland scharf verurteilt. „Wer heute den einzigartigen Bruch mit der Zivilisation leugnet, kleinredet oder relativiert, der verhöhnt nicht nur die Millionen Opfer, sondern der will ganz bewusst alte Wunden aufreißen und sät neuen Hass, und dem müssen wir uns gemeinsam entgegenstellen“, sagte er am Sonntag.

Steinmeier äußerte sich bei einem Festakt in Berlin zum 10. Jahrestag des Denkmals für die im Nationalsozialismus verfolgten Homosexuellen.Steinmeier ging in seiner Rede nicht direkt auf die Äußerungen des AfD-Vorsitzenden Alexander Gauland ein, der mit seiner Relativierung der Zeit des NS-Terrors eine Welle der Empörung ausgelöst hat.

Meuthen: Wortwahl unangemessen

Der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen hat sich derweil von der "Vogelschiss"-Äußerung seines Co-Vorsitzenden distanziert. "Der Herrn Gauland angelastete Satz - insbesondere die Bezeichnung "Vogelschiss" - ist in der Tat ausgesprochen unglücklich und die Wortwahl unangemessen", sagte Meuthen am Sonntag Zeit Online.

Er verteidigte Gauland allerdings gegen den Vorwurf, die NS-Zeit verharmlost zu haben. "Im Kontext seiner Rede wird jedoch vollkommen deutlich, dass er dort in gar keiner Weise die entsetzlichen Gräueltaten der Nazizeit verharmlost oder relativiert hat, wie ihm nun reflexartig unterstellt wird."

Gauland verteidigt Aussage

Gauland selbst hat seine heftig umstrittene Äußerung zur Bedeutung des Nationalsozialismus in der deutschen Geschichte verteidigt. "Ich habe den Nationalsozialismus als Fliegenschiss bezeichnet. Das ist eine der verachtungsvollsten Charakterisierungen, die die deutsche Sprache kennt. Das kann niemals eine Verhöhnung der Opfer dieses verbrecherischen Systems sein", erklärte Gauland am Sonntagabend in einer persönlichen Stellungnahme.

(das/dpa)
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