Analyse Verkehrsminister Dobrindt in der Falle

Berlin · Die Vorgaben für die Pkw-Maut in Deutschland sind derart knifflig, dass Verkehrsminister Alexander Dobrindt sich schwertut, ein schlüssiges Konzept vorzulegen. Von allen Seiten steht er unter scharfer Beobachtung.

Das ist Alexander Dobrindt
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Foto: dpa, Maurizio Gambarini

Die Frage, wie in Deutschland eine Pkw-Maut eingeführt werden kann, gehört zu den am besten gehüteten Geheimnissen im Berliner Regierungsviertel. Schon vor einer Woche bei der CSU-Klausursitzung in München erklärte Verkehrsminister Alexander Dobrindt zu seinem Konzept: "Ich bin fertig." Doch öffentlich machen konnte und wollte er es bisher nicht.

Nur ein kleiner Kreis soll das Papier bisher gesehen haben: CSU-Parteichef Horst Seehofer gehört dazu. Zudem sind Exemplare ins Finanzministerium und ins Kanzleramt gegangen.

Hintergrund der Geheimniskrämerei ist, dass der Verkehrsminister mächtig unter Druck steht. Mehrfach hatte er angekündigt, noch vor der Sommerpause ein Konzept für die Einführung einer Pkw-Maut ab 2016 in Deutschland vorzulegen. Sie soll nur ausländische Autofahrer belasten, aber dennoch mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz der EU harmonieren. Zudem soll sie Geld in die Staatskasse spülen. Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) scheint nur wenig Vertrauen in die Künste des Kollegen vom Verkehrsressort zu haben: In seinen Finanzplan für 2016 hat er keine Einnahmen aus der Pkw-Maut eingeplant.

Im Gespräch ist, dass Deutschland eine rund 100 Euro teure Vignette einführt, die alle Autofahrer, aus dem In- und aus dem Ausland, erwerben müssen. Die deutschen Fahrzeughalter sollen wiederum über eine geminderte Kfz-Steuer entlastet werden. Daher muss auch der Finanzminister in Dobrindts Pläne eingeweiht werden. Er müsste die Kfz-Steuerreform umsetzen. Diese Woche äußerte Schäuble sibyllinisch, die Anforderungen des Koalitionsvertrags für Dobrindt seien "relativ kompliziert".

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Nach zahlreichen Meldungen in dieser Woche, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) habe beim Maut-Projekt auf die Bremse getreten beziehungsweise Dobrindt werde nur ein paar Eckpunkte vorstellen, bekam der Verkehrsminister ein wenig Schützenhilfe aus dem Kanzleramt. Regierungssprecher Steffen Seibert betonte, die Kanzlerin habe sich nicht zum Zeitpunkt oder zur Frist der Vorstellung der Maut-Pläne geäußert. Ein Sprecher des Verkehrsministeriums betonte erneut, Dobrindt werde das Konzept bis zur Sommerpause vorstellen. Der Bundestag ist bereits in der Sommerpause. Am kommenden Freitag tagt noch einmal der Bundesrat.

Dobrindt steht nicht nur mächtig unter Druck. Er sitzt regelrecht in der Falle. Er muss die Suppe auslöffeln, die CSU-Chef Horst Seehofer der Nation im Wahlkampf eingebrockt hat. Der ist der Erfinder der Ausländer-Maut. Weil sich weder die CDU noch die SPD für die Pläne aus Bayern erwärmen konnten, haben sie gemein hohe Hürden für das Projekt in den Koalitionsvertrag hineingeschrieben. Seehofer wiederum schickte den aus seiner Sicht besten Mann in das Himmelfahrtskommando. "Ein Alexander Dobrindt scheitert nicht", sagt er über seinen Verkehrsminister. Der wiederum versprach noch im November 2013, die Pkw-Maut für Ausländer komme so sicher wie das Amen in der Kirche.

Das Amen in der Kirche kommt auf jeden Fall prompter. Bevor Dobrindt sein Maut-Konzept der Öffentlichkeit vorstellen kann, muss er es an vielen Stellen besprechen. In dieser Woche war er auch bei EU-Kommissar Siim Kallas, der seit Monaten große Bedenken gegenüber die auf Ausländer gemünzte Maut hegt. Auch nach dem Gespräch mit dem deutschen Verkehrsminister zeigte sich der EU-Kommissar skeptisch. Man habe nur sehr allgemein gesprochen, hieß es hinterher. Etwas Schriftliches ließ Dobrindt offensichtlich nicht da.

Auch den Spitzen der SPD trug Dobrindt nach Informationen aus Parlamentskreisen nur mündlich vor. Vizekanzler und SPD-Chef Sigmar Gabriel habe er in einem Vier-Augen-Gespräch unterrichtet, ebenso SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann. Sonderlich hohe Erwartungen an das Konzept, das nun diese Woche öffentlich werden soll, hat der Koalitionspartner nicht. Man spricht von einer "gesichtswahrenden Lösung".

Auch aus den eigenen Reihen gibt es inzwischen Kritik an Dobrindt. Ihm fehle der Rückhalt im eigenen Ministerium, heißt es in CSU-Kreisen. Sechs Monate hat er gebraucht, die Organisationsstruktur seines Ministeriums aufzustellen. Er sei jemand, der viel abwäge. Entscheidungen fälle er nicht leichtfertig. Im Umgang mit den Mitarbeitern führe das allerdings dazu, dass er die Fachkompetenz in seinem Haus nicht hinreichend einbinde - so lasse er etwa die Abteilungsleiter nicht an sich heran und schenke ihnen kein Vertrauen. In den ersten Monaten seiner Amtszeit vergrub sich Dobrindt erst einmal in seinem Ministerzimmer und arbeitete sich systematisch in die Bandbreite seiner Zuständigkeiten ein.

Für die Grünen ist der Plan einer Pkw-Maut nur für Ausländer ohnehin verfehlt - vor allem weil sie kaum ökologische Wirkungen entfaltet. Mehr Einnahmen für Erhalt und Ausbau der Verkehrsinfrastruktur kann man aus Sicht der Grünen auch anders erzielen. "Die durch die Pkw-Maut erhofften 250 Millionen Euro pro Jahr kann Dobrindt locker durch eine Ausweitung der Lkw-Maut einspielen. Da sollte er nachlegen, statt die einfachen Autofahrer zu schikanieren", forderte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter.

Der Grünen-Fraktionschef attackierte den CSU-Verkehrsminister scharf. "Dobrindt steht im Abseits", sagte der Grünen-Politiker. "Je länger Dobrindt dieses illusorische Projekt der Pkw-Maut verfolgt, umso größeren politischen Schaden nimmt er", sagte Hofreiter. "Ich würde mich freuen, wenn er sich mal wirklich um die Verkehrs- und digitale Infrastruktur kümmert", sagte der frühere Chef des Bundestags-Verkehrsausschusses.

(jd/mar/may-/qua)
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