Interview mit Verkehrsminister Alexander Dobrindt "Pkw-Vignette hält nicht vom Einkauf in Emmerich ab"

Düsseldorf · Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) verteidigt im Interview mit unserer Redaktion seine umstrittenen Maut-Pläne. Die Straßengebühr werde keine Auswirkungen auf den Grenzverkehr haben, verspricht er. Das Ziel, bis 2018 alle Bürger mit schnellem Internet zu versorgen, hält er weiterhin für erreichbar.

Das ist Alexander Dobrindt
9 Bilder

Das ist Alexander Dobrindt

9 Bilder
Foto: dpa, Maurizio Gambarini

Herr Minister Dobrindt, Sie haben offensichtlich Ihre Maut-Pläne nicht mit der CDU in Nordrhein-Westfalen besprochen. Oder warum bekommen Sie so viel Kritik?

Dobrindt Wir haben die Vereinbarung im Koalitionsvertrag getroffen, dass es eine Pkw-Maut geben wird, die europarechtskonform ist und die Autofahrer in Deutschland nicht zusätzlich belastet. Auf dieser Grundlage habe ich mein Konzept vorgelegt.

Es war nie die Rede davon, dass alle Straßen einbezogen werden sollten.

Dobrindt Mein Konzept erfüllt erkennbar die Kriterien, dass niemand mehr belastet wird und dass die Maut dem Europarecht entspricht.

Die NRWler fürchten einen gebremsten Grenzverkehr mit den Niederlanden und ökonomische Einbußen . . .

Dobrindt Durch die Infrastrukturabgabe wird es keine Auswirkungen auf den Grenzverkehr geben. In Bayern kennen wir die Situation mit Österreich seit Jahren. Nur dass es dort umgekehrt ist: Die Österreicher erheben eine Maut, wir bislang nicht. Der Grenzverkehr hat in den vergangenen Jahren sogar noch zugenommen. Die Menschen in den Grenzregionen kommen aus vielen Anlässen zu uns, zum Beispiel für Urlaube, sie besuchen Freunde oder machen Ausflüge. Allein dadurch lohnt sich die Jahresvignette schon.

Also braucht der Venloer, der in Emmerich einkauft, die Jahresvignette?

Dobrindt Wenn ein Polo-Fahrer 24 Euro im Jahr zahlt, um das deutsche Straßennetz zu nutzen, dann hält ihn das nicht vom Einkauf in Emmerich ab.

Was spricht denn dafür, die Pkw-Maut auch auf Nebenstraßen zu erheben?

Dobrindt Es geht darum, dass alle, die die deutschen Straßen benutzen, auch angemessen an den Kosten beteiligt werden. Wir zahlen in fast allen Nachbarstaaten mit, wenn wir dort die Straßen benutzen. Wir schließen eine Gerechtigkeitslücke.

Niemand außer Albanien erhebt Maut auch auf Nebenstraßen. Warum Deutschland?

Dobrindt Wir haben das größte Straßennetz in Europa mit Autobahnen, mit vierspurigen Bundesstraßen, die ausgebaut sind wie Autobahnen, mit Landstraßen, die ausgebaut sind wie Bundesstraßen. Das rechtfertigt, dass wir das ganze Netz ins Maut-System hineinnehmen. Wir haben unterschiedlichste Maut-Systeme in Europa. In Österreich gibt es beispielsweise neben dem Pickerl erhebliche Sondermauten auf Brücken und Tunnel. Inlandspendler erhalten dort sogar Nachlässe für diese Sondermauten.

Dennoch wirft die EU-Kommission nur Ihnen Diskriminierung vor . . .

Dobrindt Wir planen eine Infrastruktur-Abgabe für alle, die sich an der Größe und der Umweltfreundlichkeit des Autos orientiert. Das gilt für alle. Ich plane zudem eine Reform der Kfz-Steuer, die klar unter nationale Kompetenz fällt. Das führt dazu, dass Autofahrer mit in Deutschland zugelassenen Pkw weniger Kfz-Steuer entrichten müssen.

Wäre es nicht einfacher gewesen und auch politisch durchsetzbar, eine generelle Vignette nach Fahrzeuggrößen zu schaffen - ohne Ausgleich für deutsche Autofahrer? Damit hätte man auch die Finanzierungsprobleme im Verkehrsbereich erheblich lindern können . . .

Dobrindt Die Autofahrer in Deutschland zahlen schon genug: Kfz-Steuer und Mineralölsteuer. Es geht nun darum, diejenigen zu beteiligen, die bislang nichts beitragen. Mit meinem Konzept ist zudem sichergestellt, dass jeder zusätzlich eingenommene Euro in die Verkehrsfinanzierung fließt.

Muss die Kanzlerin ein Machtwort sprechen, damit Ihre Kritiker Ruhe geben?

Dobrindt Mit meiner Maut habe ich einen Systemwechsel für die Straßen von der Steuerfinanzierung hin zu einer Nutzerfinanzierung vorgestellt. Dass ein solcher Systemwechsel zu Diskussionen führt, ist erwartbar und erwünscht.

CSU-Chef Horst Seehofer hat die Einführung einer Maut zur Koalitionsfrage erklärt. Sehen Sie das auch so?

Dobrindt Wir haben in der Koalition eine eindeutige Vereinbarung getroffen. Ich habe keinen Zweifel, dass sich alle Koalitionspartner an diese Vereinbarung halten werden.

Beim Thema Luftfahrt verstecken sich die Landespolitiker hinter Ihnen. Niemand will derzeit entscheiden, ob Kapazitäten ausgeweitet werden. Alle verweisen auf Ihr Luftfahrtkonzept. Wann kommt es?

Dobrindt Wir haben die Arbeiten aufgenommen. Wir geben ein Gutachten in Auftrag, das die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Luftfahrt im internationalen Kontext analysieren soll. Die Frage von Betriebsgenehmigungen ist und bleibt allerdings Ländersache. Die Landesregierung NRW hat alle Möglichkeiten, Entscheidungen über die Luftverkehre in NRW zu treffen.

Was soll das Gutachten genau zutage fördern?

Dobrindt Es soll Prognosen enthalten, wie sich der Luftverkehr entwickeln wird, wo künftig umgestiegen und umgeladen wird, wo Drehscheiben entstehen. Mit dem Aufkommen der Günstig-Flieger haben wir beispielsweise festgestellt, dass Flughäfen plötzlich hohe Auslastungen haben, bei denen wir das nicht erwartet haben. Solche Entwicklungen müssen analysiert werden, bevor wir ein Luftfahrtkonzept vorlegen können.

Stimmt der Eindruck, dass für die digitale Transformation der Gesellschaft zu wenig Geld da ist?

Dobrindt Wir werden viel Geld in die Hand nehmen und in den Netzausbau investieren. Wir stecken einen Großteil der Einnahmen aus der Vergabe der Funkfrequenzen direkt in den Ausbau der digitalen Infrastruktur.

Wie viel soll denn hereinkommen durch die Versteigerung?

Dobrindt Ich gehe davon aus, dass sich durch die Versteigerung der Frequenzen ein Milliardenbetrag einnehmen lässt. Sicher weiß man das erst, wenn die Vergabe stattgefunden hat. Ich will, dass wir im ersten Halbjahr 2015 die Frequenzen vergeben und über die Einnahmen verfügen. Dann können wir mit den Förderungen beginnen. Bis zum 30. September dieses Jahres werden wir zusammen mit den Ländern festlegen, wie das Geld in den Breitbandausbau investiert wird. Mein Ziel ist es, dass wir zuerst die weißen Flecken bei der Internet-Versorgung beseitigen.

Wir sind in Deutschland einem OECD-Bericht zufolge bei der digitalen Versorgung gleichauf mit Griechenland.

Dobrindt Wir haben in Deutschland sehr unterschiedliche Verhältnisse, was den Internet- und den Breitbandzugang angeht. Die Städte sind stark ausgebaut, in den ländlichen Regionen ist der Ausbau teilweise sehr schwach. Dort liegt der dringendste Bedarf. Deshalb werden wir investieren. Das entbindet aber die Industrie selbstverständlich nicht von ihrer Verantwortung, selbst zu investieren. Das Ziel für 2018, dass alle Bürger über mindestens 50 Mbit verfügen können, ist erreichbar.

Michael Bröcker, Eva Quadbeck und Thomas Reisener führten das Gespräch.

(brö / qua)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort