Vorstoß Seehofers löst Empörungswelle aus AKW-Streit neu entfacht

Berlin (RPO). Äußerungen von CSU-Chef Horst Seehofer über längere Laufzeiten der deutschen Kernkraftwerke haben den Streit um die deutschen Meiler neu entfacht. SPD und Grüne reagierten empört, auch aus der FDP kam Kritik am Vorstoß des bayerischen Ministerpräsidenten. Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) äußerte ebenfalls Bedenken. Er will mehr auf Kohlekraftwerke setzen.

Atomkraftwerke in Deutschland
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Foto: AP

Seehofer hatte verlangt, die Laufzeiten von Atomkraftwerken nur von deren Sicherheit abhängig zu machen. Die CSU werde nicht mit konkreten Jahreszahlen in die Verhandlungen der schwarz-gelben Koalition über eine Verlängerung der Laufzeiten gehen. Bei der Energieversorgung müsse sowohl für Sicherheit als auch für "Bezahlbarkeit" gesorgt werden, bekräftigte Bayerns Ministerpräsident am Samstag und fügte hinzu: "Für mich macht das keinen Sinn, sichere bayerische Kernkraftwerke abzuschalten, um anschließend den gleichen Strom aus Tschechien zu beziehen."

Tillich beurteilte dagegen eine Verlängerung der Laufzeiten kritisch. Er sei "stattdessen stark dafür, dass wir den einzigen heimischen Energielieferanten, den wir haben, die Kohle, stärker nutzen."

Der FDP-Umweltexperte Michael Kauch stellte klar: "Unbegrenzte Laufzeiten von Kernkraftwerken sind mit dem Koalitionsvertrag nicht vereinbar." Schwarz-Gelb habe eine Laufzeitverlängerung vereinbart, keine Aufhebung der Laufzeitbegrenzung. Seehofer sollte sich nicht einseitig für die Interessen der Stromkonzerne einsetzen.

"Atomlobbyismus pur"

Harsche Kritik kam von der Opposition. Grünen-Chefin Claudia Roth warf Seehofer "Atomlobbyismus pur auf Kosten gegenwärtiger und zukünftiger Generationen" vor. Seine Vorschläge hätten "mit dem christlichen Erhalt der Schöpfung rein gar nichts mehr zu tun". Roth fügte hinzu: "Wir sehen eine CSU, die ihr Wertefundament zerstört, die Sicherheit der Bevölkerung aufs Spiel setzt und die Modernisierung der Energiebasis hin zu den Erneuerbaren Energien blockiert."

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel sagte, Seehofer, aber auch Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) seien "zu feige, in Süddeutschland die geeigneten Standorte für Atommüllendlager untersuchen zu lassen, rufen aber am lautesten nach der Verlängerung der Laufzeiten von Atomkraftwerken. Das ist verantwortungslos." Gabriel betonte: "Die Gewinne im Süden, den Atommüll nach Norden - das ist das energiepolitische Konzept von CDU und CSU."

Unterdessen könnte der Gorleben-Untersuchungsausschuss nach Darstellung des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor Probleme stellen. Der Ausschuss will klären, ob Regierungsstellen bei der Planung eines Atommüll-Endlagers im Salzstock Gorleben Bedenken von Wissenschaftlern übergangen haben und Gutachten manipuliert wurden. Eine Reihe von Vermerken aus dem Bundesumweltministerium im Jahre 1996, als Merkel Umweltministerin war, lieferten für Ungereimtheiten neue Indizien, berichtete das Magazin vorab.

"Merkel vor den Untersuchungsausschuss"

"Das Ministerium begann damals mit Erkundungen trotz eingeschränkter Rechte", sagte die Grünen-Umweltexpertin Dorothea Steiner am Sonntag. "Es machte klar, dass es dort trotzdem ein Endlager bauen wollte, ohne sich auch nur einmal um alternative Standorte zu kümmern."

Nach Ansicht der Bürgerinitiative Umweltschutz Lüchow-Dannenberg (BI) belegen die Dokumente, dass Gorleben "auf Biegen und Brechen als Endlagerstandort ausgeguckt" wurde. Merkel gehöre vor den Untersuchungsausschuss, sagte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke.

Der CDU-Abgeordnete Reinhard Grindel wies die Vorwürfe als "unverantwortlich" zurück. Die Opposition wolle "die Erkundung des Salzstocks Gorleben durch haltlose Angriffe auf die Bundeskanzlerin skandalisieren".

(DDP/csr)
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