Bericht der Sicherheitskommission AKW kaum gegen Flugzeugabstürze gesichert

Berlin (RPO). Der Bericht der Reaktorsicherheits-Kommission liegt vor: Demnach sind die 17 deutschen Atomkraftwerke nur unzureichend gegen Flugzeugabstürze geschützt. Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) lobte den Bericht als gute Grundlage für die anstehenden Entscheidungen über die Energiewende. Er deutete die Stilllegung von vier Meilern an.

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Foto: dapd

Kein einziger Meiler in der Bundesrepublik sei so ausgebaut, das er schwersten Flugzeugabstürzen standhalten könne, sagte Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) nach Vorlage des Berichts der Reaktorsicherheitskommission am Dienstag in Berlin. Die entsprechende Stufe drei der von der Kommission erarbeiteten Kategorie erreiche kein AKW in Deutschland.

Nach Röttgens Angaben haben einige der älteren AKW gar keinen Schutz gegen Abstürze, andere nur einen leichten. Die alten Meiler können demnach schon beim Absturz eines kleinen Flugzeugs schwer beschädigt werden. Im Wesentlichen war diese Einschätzung bereits durch vorherige Studien bekannt.

Keine eindeutige Empfehlung

Eine klare Empfehlung gibt der Bericht nicht ab. Er verweist darauf, dass jedes AKW einen Einzelfall darstellt. Meiler könnten nachgerüstet werden. Minister Röttgen behielt sich ein endgültiges Fazit vor. Er verwies darauf, dass der Bericht zu einem differenzierten Ergebnis komme.

Es gehe nicht um einen sofortigen Ausstieg aus der Atomenergie, bekräftigte der Minister. Der Stresstest der Reaktorsicherheitskommission lasse nicht den Schluss zu, dass aus Sicherheitsgründen unverzüglich und überstürzt aus der Atomenergie ausgestiegen werden müsse, sagte Röttgen nach der Entgegennahme des Kommissions-Berichts. Es bleibe aber bei dem Postulat, dass man einen Weg suchen sollte, "so schnell wie vernünftig, nämlich ersetzbar die Kernenergie zu verlassen".

Vier AKW vor dem endgültigen Aus

Besondere Aufmerksamkeit erregte Röttgen, als er die vier alten Meiler Biblis A, Biblis B, Brunsbüttel und Philippsburg I eigens erwähnte. Alle vier erfüllen dem Bericht zufolge noch nicht einmal die kleinste der drei Sicherheitsstufen. Röttgen kündigte an, dass dieses Ergebnis bei der politischen Bewertung noch eine Rolle spielen werde.

Unter die Lupe genommen worden seien nicht nur die bisher angenommenen Risiken für die Sicherheit von deutschen AKW, sondern auch mögliche zusätzliche Einwirkungen wie bislang ungekannte Hochwasser-Katastrophen.

16 Experten

Röttgen hatte die Reaktorsicherheitskommission (RSK) nach der Katastrophe im japanischen Fukushima im März beauftragt, die Sicherheit aller deutschen Akw zu prüfen. Merkel hat den Zeitttakt bereits vorgegeben. Die Atomwende soll bitteschön im Eiltempo vollzogen werden. Der Bundestag soll am 30. Juni über den Ausstieg aus der Atomkraft entscheiden. Grundlage für das Votum der Parlamentarierer: der Kommissionsbericht.

Das Gremium unter Leitung des Geschäftsführers des Prüfunternehmens TÜV Nord Systems, Rudolf Wieland, besteht aus 16 Experten verschiedener Fachrichtungen.

Die Kritiker fordern eine politische Entscheidung

Dass nun eine eilends zusammengesetzte Kommission im Eiltempo der Bundesregierung einen Bericht vorlegt, dabei aber im Kern weitgehend bekannte Einschätzungen wiederholt, ist Wasser auf die Mühlen der Kritiker. Normalerweise braucht es für eine seriöse Prüfung von Atomkraftwerken aller Erfahrung nach etwa ein Jahr. Und dass die sieben bereits abgeschalteten AKW vor Flugzeugabstürzen so gut wie gar nicht geschützt waren und die jüngeren Meiler nur unzureichend, war aus älteren Studien zu dem Thema längst bekannt.

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) vermag daher in den Empfehlungen keine akzeptable Grundlage für den Atomausstieg zu erkennen. "Im Grunde bestätigt die Reaktorsicherheitskommission, dass es keine Reaktorsicherheit gibt. Flugzeugabstürze und Terrorgefahren sind und bleiben unlösbare Risiken", sagte BUND-Vorsitzende Hubert Weiger. Bundeskanzlerin Angela Merkel müsse endlich politisch entscheiden, ob sie der Bevölkerung die Gefährlichkeit der Atomkraft weiter zumuten wolle oder nicht. Ähnlich äußerte sich auch der Naturschutzbund Deutschland (NABU).

Bericht nach Angaben der Betreiber

Weiger kritisierte auch das Vorgehen der Reaktorsicherheitskommission. Von dem angekündigten neuen "Stresstest" für die Atomkraftwerke könne keine Rede sein, da sich die Kommission zum Teil auf Angaben der AKW-Betreiber beziehe. Diese seien jedoch bisher unveröffentlicht und nach Aussage des schleswig-holsteinischen Justizministeriums zum Beispiel in der Frage der Terrorsicherheit sehr dünn.

"Kein deutsches Atomkraftwerk ist vor Terroranschlägen sicher. Hätte die Reaktorsicherheitskommission ihre eigenen Kriterien für die Sicherheit ernst genommen, wäre die endgültige Stilllegung aller Atomkraftwerke die logische Konsequenz", sagte Weiger.

"Sicherheit kennt keine Kompromisse"

Greenpeace nahm den Bericht zum Anlass, die sofortige Stilllegung der sieben ältesten Atomkraftwerke zu fordern: Brunsbüttel, Unterweser, Biblis A und B, Philippsburg 1, Neckarwestheim 1, Isar 1 und der Pannenreaktor Krümmel. Die Hüllen der Alt-Reaktoren würden einem Absturz nicht standhalten, der Austritt von Radioaktivität wäre unweigerlich die Folge.

"Jetzt muss die Bundesregierung ihre Ankündigungen der vergangenen Wochen wahr machen. Sicherheit kennt keine Kompromisse", sagt Heinz Smital, Atom-Experte von Greenpeace. Die Forderung der Umweltschutz-Organisation: Die sieben ältesten Reaktoren und das AKW Krümmel sofort und endgültig stilllegen, vollständiger Ausstieg aus der Atomkraft bis 2015.

(AFP/RTR/pst)
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