“Air Defender 2023“ Ein Manöver als Signal an Putin

Meinung | Brüssel · Einen russischen Angriffskrieg konnte sich die Nato nur schwer vorstellen, als sie damit begann, eine Verlege-Übung der Luftstreitkräfte auf die Beine zu stellen. Um so wichtiger ist „Air Defender 2023“ geworden.

 Drei Kampfjets vom Typ F-16 aus den USA kurz vor ihrer Landung zur Übung „Air Defender 2023“ im schleswig-holsteinischen Jagel.

Drei Kampfjets vom Typ F-16 aus den USA kurz vor ihrer Landung zur Übung „Air Defender 2023“ im schleswig-holsteinischen Jagel.

Foto: dpa/Georg Wendt

Als die Bundeswehr 2018 an die Vorbereitung einer großen Nato-Übung ging, hätten die meisten Nicht-Militärs deren Namen „Air Defender“ (Luft-Verteidiger) wohl eher für einen neuartigen Schadstofffilter gehalten. Der Westen hatte sich daran gewöhnt, dass Frieden in Europa eine Selbstverständlichkeit sei und man jeden Konflikt dank guter Geschäfts- und Handelsbeziehungen schon irgendwie moderieren könne. Wie zum Beweis brachten die Merkel-Koalitionen neue Gaspipeline-Verbindungen nach Russland auf den Weg und gaben deutsche Gasspeicher in russische Hände.

Längst sieht die Welt anders aus, und damit hat auch die groß angelegte Verlege-Übung der Nato-Luftstreitkräfte eine andere Bedeutung. Die Notwendigkeit, nach Jahren ausgiebigst genutzter Friedensdividende wieder mehr in die Landes- und Bündnisverteidigung zu investieren, bezieht sich nicht nur auf das Bestellen, sondern auch auf das Beherrschen moderner Waffensysteme. Dazu gehört natürlich auch das Einüben, sie im Bündnisfall optimal zu nutzen. Das Szenario des Manövers sieht bewusst eine entschiedene Nato-Reaktion auf Elemente verschleierter Kriegsführung vor. Russlands Präsident Wladimir Putin hat sie wiederholt bevorzugt, um die Welt zu verwirren, die Schuld auf andere zu schieben und damit die westliche Meinung zu beeinflussen, faktisch aber mit seinen Expansions- und Unterwerfungsplänen voranzukommen. Die Nato ist dazu da, das zu verhindern.

Auch die Übungsannahme einer Bedrohung Rostocks hat symbolische Bedeutung bekommen. Von der Hansestadt sind es gerade mal hundert Kilometer bis zu der Stelle, an der Putins Pipeline deutschen Boden erreicht. Und von hier aus brauchen Nato-Kampfjets eine halbe Stunde, um die litauische Hauptstadt Vilnius zu erreichen – und damit das Baltikum, dem in russischen Staatsmedien bereits gedroht wird, das Schicksal der Ukraine zu erleiden.

Wenn es auch militärtechnisch in erster Linie darum geht, das Zusammenspiel bei einer solchen Verlegung im Kriegsfall im Detail durchzuplanen und Schwachstellen zu identifizieren, so enthält die Groß-Übung auch politische Botschaften. Dass die USA allein hundert Jets über den Atlantik schicken, demonstriert den Zusammenhalt der Nato. Und dass selbst Japan einen (Übungs-)Beitrag zur Verteidigung Deutschlands leistet, zeugt von der asiatischen Erwartung, angesichts aggressiver Ansagen Chinas auch auf europäische Solidarität in dieser Weltregion zählen zu dürfen.

Kritik könnte sich an Auswirkungen auf die Zivilluftfahrt entzünden. Doch 250 Militärjets im Einsatz über Deutschland sind angesichts von täglich rund 8000 zivilen Flügen auch nicht so viel. Tief- und Tiefstflüge stehen nicht auf dem Manöver-Zettel, da haben die Menschen in Zeiten des Kalten Krieges ganz andere Belästigungen im Gedächtnis. Die vorübergehende Aussetzung des Nachtlandeverbotes soll dazu beitragen, dass sich Flüge nur verspäten und nicht ausfallen. Diese Last ist tragbar, vor allem angesichts des Bewusstseins, dass es darum geht, die Abschreckung glaubwürdiger und die Sicherheit größer zu machen.

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