Dioxin-Gipfel in Berlin Aigner im Clinch mit den Ländern

Düsseldorf (RPO). Agrarministerin Ilse Aigner hat recht, wenn sie sagt, dass die Leute im Dioxin-Skandal Lösungen erwarten. Doch die Leute wissen mittlerweile auch: Alleine kann Aigner nichts durchsetzen. Sie ist auf die Mitarbeit der Bundesländer angewiesen. Vor dem heutigen Gipfel in Berlin forderte die CSU-Politikerin die Länder auf, ihren Aktionsplan umzusetzen. Und stößt auf Widerstand.

Dioxin-Skandal 2011: Aigners Zehn-Punkte-Plan
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Dioxin-Skandal 2011: Aigners Zehn-Punkte-Plan

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Foto: dapd

An diesem Dienstag findet ein weiterer Gipfel zum Dioxin-Skandal statt. Schon seit Wochen schieben sich Bund und Länder gegenseitig die Schuld in die Schuhe. Krönung: die peinliche Posse zwischen Aigner und den Verantwortlichen des Landes Niedersachsen am Wochenende.

Die politisch schwer angeschlagene CSU Politikerin fühlte sich hintergangen, wütete gegen die Landesbehörden und forderte Entlassungen. David McAllister, Ministerpräsident in Hannover, ließ sich das natürlich nicht bieten und verwahrte sich gegen die Vorwürfe, ein Landesminister höhnte, Aigner seien die Nerven durchgegangen. Erst eine Intervention von Kanzlerin Angela Merkel glättete die Wogen.

Am Dienstagmittag werden sich die Kontrahenten vom Wochenende erneut in die Augen sehen. Der Ton ist ruhiger geworden, doch die Streitigkeiten sind ungelöst. Der Bund, personifiziert durch Aigner, fordert schärfere Kontrollen, härtere Strafen und mehr Auflagen für Futtermittelhersteller. Schon am Mittwoch will sie ihren Zehn-Punkte-Aktionsplan durchs Kabinett bringen. Aigner braucht Ergebnisse. Darum macht sie den Ländern Druck. Sie erwarte, dass die sich hinter ihren Plan stellten, gab Aigner gegenüber dem "Hamburger Abendblatt" die Marschroute für das Treffen vor.

Auf höhere Strafen können sich alle einigen

"Ich erwarte von den Ländern, dass sie sich hinter diesen Plan stellen und ihren Beitrag leisten, um die Qualität der Überwachung zu erhöhen und die Kontrollpraxis zu verbessern", sagte Aigner. Ihr Aktionsplan sei konkret ausgearbeitet, viele Punkte könnten schnell umgesetzt werden, "wenn wir jetzt an einem Strang ziehen", sagte Aigner. Sie sehe in Union und FDP ein hohes Maß an Übereinstimmung. Ihr Aktionsplan decke sich in vielen Punkten auch mit den Vorstellungen von SPD und Grünen. Deshalb sei sie zuversichtlich, dass man zu einem guten Ergebnis komme.

Ebenso wie Aigner sprechen sich auch die Länder-Agrarminister für eine Überprüfung des Strafrahmens gegen Futter-Panscher aus. "Die Strafen müssen deutlich erhöht werden, drei Jahre oder ein paar tausend Euro sind keine echte Abschreckung", sagte der Vorsitzende der Agrarministerkonferenz, Thüringens Landwirtschaftsminister Jürgen Reinholz (CDU) der "Leipziger Volkszeitung". Eine Verdreifachung des möglichen Strafrahmens wäre vielleicht abschreckend genug.
Wenig Gegenliebe für mehr Bundes-Mitwirkung

Anders stellt sich die Lage jedoch bei Aigners Forderung nach mehr Bundeskompetenz bei den staatlichen Kontrollen dar. Die nämlich sind Ländersache. Entsprechend stößt die von Aigner geforderte stärkere Mitwirkung des Bundes bei der Kontrolle bei Reinholz auf Widerspruch. "Die Länder sind schon in der Lage, die notwendigen Kontrollen selbst durchzuführen." Allerdings wollten sich die Länder Aigners Vorschlägen nicht von vornherein verschließen.

Von einer Verschiebung der Kontrollkompetenzen weg von den Ländern hin zum Bund hält auch NRW-Verbraucherschutzminister Johannes Remmel (Grüne) nichts: "Wenn die Bundesregierung künftig die Kontrollen aber selbst bezahlen will, kann sie das gerne tun. Ich halte das aber für ausgeschlossen. Wichtiger ist: Wir müssen Länder und Kommunen stärken, denn sie sind es die vor Ort aktiv werden können", so Remmel gegenüber der Frankfurter Rundschau.

NRW-Minister will in drei Monaten Tatsachen vorlegen

Der Landesminister aus NRW zeigte sich mit Blick auf das heutige Gipeltreffen dennoch vorsichtig optimistisch. Remmel erwartet, dass ein "gemeinsamer Plan" verabschiedet werde, "der den Konsumenten mehr Schutz vor Lebensmittelskandalen verspricht". Remmel betonte gegenüber unserer Redaktion: "Wir brauchen zudem einen verbindlichen Zeitplan. Wir können die Maßnahmen meines Erachtens innerhalb von drei Monaten auf den Weg bringen."

Sobald es um Lebensmittel geht, konkurrieren drei Ebenen miteinander: Länder, Bund und die Europäische Union. Seinen Vollzug — und damit auch die Kontrollen - weist das Lebensmittelrecht klar den Bundesländern zu. Gesetze zur Lebensmittelsicherheit entstehen zunehmend in Brüssel. Der Bund kann mitreden, hat aber letztlich nicht viel zu sagen. Bei Gesetzesänderungen ist er auf die Zustimmung des Bundesrates angewiesen. Wenn Ilse Aigner in diesen Tagen um ihr politisches Überleben kämpft, ist dies nicht frei von einer tragischen Ironie.

Stunde der Lobbyisten schlägt noch

Am Ende des Tages gelten auch im Dioxin-Skandal politische Gesetze. Die Suche nach einem Schuldigen hat längst begonnen. Gut möglich, dass sich die in der Kritik stehenden Ressortchefs in ihrer Not zusammenschließen und einen gemeinsamen Aktionsplan vorlegen, so wie es NRW-Minister Remmel erwartet. Schließlich wollen alle gegenüber den aufgebrachten Leuten Handlungsfähigkeit demonstrieren.

Verbraucherschützer wissen jedoch nur zu gut: Vom Aktionsplan bis zur Umsetzung ist es ein langer Weg. Oftmals gelingt es Lobbyisten, sinnvolle Regelungen aufzuweichen. Hinzu kommen Detailfragen. Wer zum Beispiel zahlt die Zeche? Kontrollen kosten Geld. Und wer soll dafür verantwortlich sein, dass die Befunde aus den Betrieben auch an die zuständigen Ämter weitergeleitet werden? Genügend Spielraum für Ausweichmanöver.

Ruf nach einheitlichen Kontrollen

Schon längst macht vor diesem Befund die Forderung die Runde, die unterschiedlichen Kontroll-Verfahren der Länder zu vereinheitlichen. "Das liegt seit Jahren in Deutschland im Argen", monierte unlängst Horst Seehofer, ehemaliger Minister für Verbraucherschutz. Seine Nachfolgerin Aigner müsse nun darauf drängen, dass sich die Länder auch transparent zeigen und bekannt geben, wie viel Lebensmittelkontrolleure sie haben und wie viele Futtermittelhersteller wann überprüft wurden.

"Im Interesse der Verbraucher müssen wir dafür sorgen, dass die Kontrollen in den dafür zuständigen Ländern nach einheitlichen Standards durchgeführt werden", sagte Seehofer. Und auch die Länder müssten überprüft werden, ob sie ihre Aufgaben auch erfüllten.

(dapd/afp/RP)
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