Schwarz-Grün in Hamburg gescheitert Ahlhaus: "Keine Angst vor Neuwahlen"

Hamburg (RPO). Die schwarz-grüne Koalition in Hamburg ist gescheitert. Die Grünen haben beschlossen, nach gut zweieinhalb Jahren das Bündnis zu beenden. Die CDU hält für die bevorstehenden Neuwahlen an Christoph Ahlhaus fest. Der frühere Bundesarbeitsminister Olaf Scholz soll Spitzenkandidat der SPD werden. Die CDU bedauert die Entscheidung der Grünen und rät davon ab das Modell Schwarz-Grün zu beerdigen.

 Die schwarz-grüne Koalition in Hamburg steht offenbar vor dem Aus. Hier im Bild: Hamburgs Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) und Bildungssenatorin Christa Goetsch (GAL).

Die schwarz-grüne Koalition in Hamburg steht offenbar vor dem Aus. Hier im Bild: Hamburgs Innensenator Christoph Ahlhaus (CDU) und Bildungssenatorin Christa Goetsch (GAL).

Foto: dapd, dapd

Nach dem Bruch des schwarz-grünen Bündnisses in Hamburg hat der CDU-Landesvorstand am Sonntag Bürgermeister Christoph Ahlhaus einstimmig als Spitzenkandidaten für die Bürgerschaftswahl vorgeschlagen. "Ich habe keine Angst vor Neuwahlen", sagte Ahlhaus am Sonntag in der Hansestadt.

Ahlhaus wertete den Rückzug der Grünen "als Flucht vor der Verantwortung" und als Machtkalkül. Er kündigte an, schon am Montag die drei Grünen-Senatoren Christa Goetsch (Bildung), Till Steffen (Justiz) und Anja Hajduk (Stadtentwicklung und Umwelt) zu entlassen.

Ahlhaus betonte, er bedauere ausdrücklich, dass die gute Zusammenarbeit der vergangenen zweieinhalb Jahre durch eine Einzelentscheidung nun zu Ende sei. "Ich bin überrascht und enttäuscht."

CDU gibt sich enttäuscht

Die CDU-Bundesspitze zeigte sich enttäuscht über den Ausstieg der Grünen aus der Koalition. Der Rückzug sei eine Flucht aus der Verantwortung, erklärte Generalsekretär Hermann Gröhe. "Es ist der offenkundige Versuch, das Umfragehoch auszunutzen, indem man ehrlicher und manchmal unbequemer Regierungsarbeit aus dem Weg geht."

NRW-CDU-Generalsekretär Oliver Wittke beharrt in einer ersten Stellungnahme darauf, dass Schwarz-Grün weiterhin eine Option bleibe. Das Scheitern in Hamburg bedeutet nach seiner Einschätzung nicht zwangsläufig das bundesweite Aus für das ganze Modell. "Es kommt immer auf den Einzelfall an, Schwarz-Grün kann eine Option sein", sagte Wittke unserer Redaktion. Die CDU habe "durchaus Schnittmengen mit den Grünen - auch in Nordrhein-Westfalen". Die gebe es aber auch mit FDP und SPD, sagte Wittke und verwies darauf, dass es im Saarland eine "funktionierende Jamaika-Koalition" von CDU, FDP und Grünen gebe.

Scholz wird Spitzenkandidat der SPD

Der Hamburger SPD-Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs sagte der "Financial Times Deutschland", dass der frühere Bundesarbeitsminister Olaf Scholz Spitzenkandidat der SPD werden soll. "Es gibt eine klare Ansage: Scholz ist es", sagte Kahrs. "Scholz hat als Senator und Bundesminister gezeigt, dass er führen kann." Auch SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles begrüßt das Ende der Hamburger Regierungskoalition. "Schwarz-Grün ist nach einer ruhmlosen Skandal- und Pannenserie gescheitert", sagte Nahles.

Grünen-Fraktionschef Jens Kerstan hatte am Samstag mitgeteilt, dass seine Patei Neuwahlen anstrebe. Für die Grünen stehe fest, dass 100 Tage nach dem Rücktritt des Bürgermeisters Ole von Beust und dem Wechsel zu Christoph Ahlhaus (CDU) "dieser Neustart nicht gelungen ist".

Die Beschlüsse von Fraktion und Landesvorstand der Grünen, das Bündnis zu beenden, fielen einstimmig. Schwarz-Grün in Hamburg war das erste und bislang einzige Bündnis dieser Art auf Länderebene. Bürgermeister Ahlhaus sagte, er sei "überrascht und enttäuscht". Der CDU-Landesvorstand trat nachmittags zu einer Krisensitzung zusammen.

Neuwahlen im Februar möglich

Am 13. Dezember soll eine Landesmitgliederversammlung der Grünen abschließend über den Ausstieg aus der Koalition abstimmen, zwei Tage später die Bürgerschaft. Neuwahlen könnten laut Grünen schon am 20. Februar stattfinden.

Grünen-Landeschefin Katharina Fegebank bilanzierte: "Der gemeinsame Geist und die große Verlässlichkeit, die diese Koalition bis zum Sommer getragen haben, sind verflogen." Sie fügte hinzu: "Für einen weiteren Neustart sehen wir keine Chance, weil es keine hinreichenden Gemeinsamkeiten mehr gibt, eine für Hamburg gute Regierungsarbeit zu leisten." Neuwahlen seien "das ehrlichste Angebot an die Stadt", sagte Fegebank. "Wir schließen keine Koalition aus."

Die Grünen-Bundesspitze begrüßte das Ende der Koalition in Hamburg. Die Parteivorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir bezeichneten den Schritt als konsequent und richtig. "Wenn die gemeinsame Vertrauensgrundlage in diese Koalition verloren gegangen ist, sind Neuwahlen die logische Konsequenz." Der Vorsitzende der Bundestagsfraktion der Grünen, Jürgen Trittin, bezeichnete die Hamburger Regierung als "nicht mehr regierungsfähig" seit dem Rückzug von Beusts.

Kraft sieht Chance für SPD

Auch Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat das Ende von Schwarz-Grün begrüßt. "Der Schritt der Grünen ist konsequent. Er zeigt, dass bei schwarz-grünen Koalitionen die gemeinsame Basis fehlt", teilte die SPD-Landesvorsitzende am Sonntag mit. Jetzt müsse es schnell Neuwahlen geben. "Ich bin mir sicher, dass mit Olaf Scholz die SPD in Hamburg wieder stärkste Kraft wird", fügte SPD-Bundesvize Kraft hinzu. In NRW regieren SPD und Grüne zusammen.

Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) sagte: "Die Realität zeigt: Es trennt sich, was nicht zusammengehört." Auch die Linken und die CDU auf Bundesebene begrüßten die Entscheidung.

Entscheidung fiel Samstagabend

Nach Angaben der Grünen wurde Ahlhaus am Sonntag über die Entwicklung informiert. "Er hat das zur Kenntnis genommen", sagte Bildungssenatorin Christa Goetsch. "Die Abstimmungen und Absprachen waren nicht mehr belastbar. So kann man nicht regieren", sagte sie.

Bereits seit langem Krach in Koalition

Zwischen Grünen, die in Hamburg GAL heißen, und der CDU gibt es bereits seit längerem immer wieder Streit. Am Mittwoch hatte Finanzsenator Carsten Frigge (CDU) in der Bürgerschaft seinen Rücktritt erklärt. Gegen ihn ermittelt die Staatsanwaltschaft Mainz im Zusammenhang mit der unzulässigen Verwendung von Mitteln der CDU-Landtagsfraktion in Rheinland-Pfalz. Es ist bereits der sechste Wechsel in der Hamburger Regierung in diesem Jahr.

Lange Zeit galt Beust als Garant des Bündnisses. Nach dem Rücktritt des Christdemokraten im Sommer hatte sich die GAL zwar mehrheitlich entschlossen, dessen Nachfolger Ahlhaus zu unterstützen. Viele GAL-Mitglieder hätten aber bereits diese Gelegenheit gerne zum Ausstieg aus dem Bündnis genutzt.

Schleswig-Holsteins SPD-Landeschef Ralf Stegner bezeichnete die Koalitionsaufkündigung als richtig. "Das schwarz-grüne Vorzeigeprojekt in Hamburg ist gescheitert", sagte er. Die Koalition habe "damit bundesweit keinerlei Ausstrahlungskraft mehr".

(apd/jre)
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