Außenminister Maas zu Afghanistan „Wir haben die Lage falsch eingeschätzt“

Berlin · Bundesaußenminister Heiko Maas hat am Montagnachmittag Fehler im Umgang mit Afghanistan eingeräumt. Einem Medienbericht zufolge haben Vertreter des Bundesnachrichtendienstes noch im Juni die Einschätzung geäußert, dass es bis zu einer Machtübernahme der Taliban noch lange dauern würde.

 Heiko Maas bei der PK am Montagnachmittag.

Heiko Maas bei der PK am Montagnachmittag.

Foto: AFP/ODD ANDERSEN

"Es gibt da nichts zu beschönigen", sagte Maas am Montagnachmittag in Berlin. Weder die Bundesregierung noch ihre westlichen Partner einschließlich der Nachrichtendienste hätten die aktuelle Entwicklung so vorhergesehen. "Es gebietet die Ehrlichkeit, das in aller Form so einzugestehen."

Die aktuellen Bilder, vor allem von den verzweifelten Menschen am Flughafen von Kabul, nannte der SPD-Politiker "außerordentlich schmerzhaft". Es komme jetzt für die Bundesregierung darauf an, "so viele Menschen wie möglich aus dieser Situation zu retten".

Dafür solle der Kreis derjenigen, die in Deutschland aufgenommen werden, noch einmal erweitert werden, sagte der Außenminister. Er solle neben den Ortskräften der Bundeswehr und der Bundesregierung nun auch Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen, der Entwicklungshilfe sowie Menschenrechtsaktivisten und Frauenrechtlerinnen umfassen.

Maas räumte allerdings ein, dass noch unklar sei, wie diese Menschen unter den aktuellen Umständen zum Flughafen gelangen könnten. Soweit ihnen das gelinge, sollten sie sowohl mit deutschen wie auch mit US-Flugzeugen ausgeflogen werden, sagte der Minister.

In einer vertraulichen Sitzung mit Bundestagsabgeordneten sollen BND-Mitarbeiter einem Bericht des "Business Insider" zufolge, gesagt haben, dass sie zwar mit einem Sieg der Taliban rechnen würden, aber erst in 18 bis 24 Monaten.

Selbst am Freitag habe die Bundesregierung die Lage in Kabul noch so eingeschätzt, dass ein Zeitfenster bis Ende März bleibe, in dem deutsche Staatsangehörige und Ortskräfte ausgeflogen werden könnten. Quellen für diese Informationen nannte "Business Insider" nicht.

Außerdem hat der Angriff der Taliban auf den Flughafen von Kabul einem Bericht zufolge das Ausfliegen von Deutschen aus dem Land gefährdet. Am späten Sonntagnachmittag hätten Kämpfer der Miliz den militärischen Teil des Flughafens in einem Bereich angegriffen, der für den Zugang zum Airport eine Schlüsselrolle hat, berichtete der "Business Insider" am Montag unter Berufung auf ein Kanzleramt-Protokoll.

Während der Angriff lief, hätten sich demnach etwa 70 Deutsche, darunter zwölf Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes, von Sicherheitsdiensten und der Bundespolizei, im militärischen Teil des Flughafens aufgehalten und auf Rettung gehofft, schrieb das Magazin. Knapp 40 Deutsche sollten mithilfe der USA nach Doha ausgeflogen werden. Wegen des Angriffs sei dies aber offenbar über Stunden bis in die Nacht hinein verschoben worden. Letztlich hätten Soldaten der USA und der Türkei den Taliban-Angriff abgewehrt.

(felt/AFP)
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