Aufregung im bayerischen Wahlkampf Was macht die Affäre Aiwanger mit der CSU?

Berlin/München · In der Flugblatt-Affäre versucht es Bayerns Vize-Regierungschef Aiwanger mit einer Entschuldigung und einem Gegenangriff. Doch die Kritik an dem Freie-Wähler-Chef hält an. Wie reagiert der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Markus Söder?

Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, äußert sich am Rande der Erföffnung der Bayerischen Karpfensaison zur Entschuldigung seines Stellvertreters Aiwanger in der Affäre um ein altes antisemitisches Flugblatt.

Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, äußert sich am Rande der Erföffnung der Bayerischen Karpfensaison zur Entschuldigung seines Stellvertreters Aiwanger in der Affäre um ein altes antisemitisches Flugblatt.

Foto: dpa/Daniel Karmann

Ist nach der Entschuldigung nun vor dem Rauswurf? Oder ist eher Entspannung angesagt in Bayern? Hat Söder wirklich ein Ultimatum gestellt? Fest steht: Die Affäre um den Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger schwelt auch am Freitag weiter.

Hubert Aiwanger: Das Leben des provokanten Politikers in Bildern
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Provokant, unvorhersehbar und „radikal“ – Das ist Hubert Aiwanger

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Nochmal zusammengefasst: Aiwanger hatte zunächst am vergangenen Samstag schriftlich zurückgewiesen, zu Schulzeiten ein antisemitisches Flugblatt geschrieben zu haben, über das die „Süddeutsche Zeitung“ in ihrer Wochenendausgabe berichtet hatte. Gleichzeitig räumte er aber ein, es seien „ein oder wenige Exemplare“ in seiner Schultasche gefunden worden. Kurz darauf gestand Aiwangers älterer Bruder ein, das Pamphlet geschrieben zu haben. In einem TV-Interview sagte er „In meinen Augen wird hier die Schoah zu parteipolitischen Zwecken missbraucht“. Der „Süddeutschen Zeitung“ warf er vor, ihn politisch vernichten zu wollen.

Am Donnerstag dann hatte sich Aiwanger erstmals öffentlich entschuldigt, las seine Erklärung von einem Zettel ab. In Bezug auf die Vorwürfe blieb er bei der bisherigen Darstellung. Gleichzeitig ging der Freie-Wähler-Chef zum Gegenangriff über, beklagte erneut eine politische Kampagne gegen ihn und seine Partei. Von einem möglichen Rücktritt war keine Rede.

Nun, am Tag danach, besucht Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) das mittelfränkischen Bechhofen zur Eröffnung der Karpfen-Saison. Wie reagiert der CSU-Vorsitzende auf den Auftritt seines Stellvertreters im Amt des Ministerpräsidenten? Söder bezeichnet die Entschuldigung als überfällig. Gleichzeitig erhöht er den zeitlichen Druck auf den Freie-Wähler-Chef, seine 25 gestellten Fragen nun rasch schriftlich zu beantworten. „Am besten noch heute“, kommt von Söder sehr nachdrücklich. „Die Entschuldigung gestern war dringend notwendig. Es bleiben aber noch viele Fragen offen“, sagt Söder. „Für mich ist wichtig, dass die 25 Fragen jetzt umfassend und glaubwürdig beantwortet werden, und zwar zeitnah. Und zeitnah heißt am besten noch heute, im Laufe des Tages.“

Man könnte es ein Ultimatum nennen. Bis zum Freitagnachmittag war die Übermittlung der Fragen allerdings noch offen. Von Aiwanger ist aus dem bayerischen Bad Griesbach lediglich zu hören: „Jawohl, auch ich habe in meiner Jugend Scheiß' gemacht. Jawohl, ich habe auch Mist gemacht.“ Und weiter: „Das Flugblatt war scheußlich, das ist nicht wegzudiskutieren.“

Söder steckt in einem Dilemma: In Bayern wird am 8. Oktober ein neuer Landtag gewählt. Nach allen jüngsten Umfragen können CSU und Freie Wähler auch danach weiter regieren. Söder hatte am Dienstag gesagt, er wolle die Koalition fortsetzen. Koalitionen hingen aber „nicht an einer einzigen Person“. Die Freien Wähler aber stellten sich geschlossen hinter Aiwanger und beklagten eine „Schmutzkampagne“.

Was also tun? Entlässt Söder Aiwanger, ist die Koalition am Ende. Davon könnten die Freien Wähler, so die Sorge der CSU, am Wahltag massiv profitieren. Hält Söder an ihm fest, könnten er und die CSU eventuell in Mithaftung genommen werden. Vielleicht kann Söder, um politisch gesichtswahrend aus der Affäre zu kommen, gar nicht mehr anders als Aiwanger zu entlassen?

In der CSU sieht man das - noch - anders. Man ist erstmal zufrieden mit Söders Krisenmanagement, das als angemessen gewertet wird. Er habe einen Weg der Mitte gewählt, ist zu hören. Allerdings ist auch allen klar, dass der CSU-Vorsitzende je nach Entwicklung wird erneut reagieren müssen.

Was die Zeit nach der Wahl angeht: Auch wenn Söder grundsätzlich die Koalition mit den Freien Wählern fortsetzen will, sollte es für eine eigene absolute Mehrheit nicht reichen, - mit Aiwanger als Minister wird dies nur schwierig möglich sein. Sollten die Freien Wähler an Aiwanger als Minister aber festhalten, müsste sich Söder einen anderen Partner suchen. Die Grünen wären in der CSU derzeit kaum vermittelbar, bliebe also rechnerisch nur die SPD.

Klar ist so oder so: Im Landtag wird es am 7. September - auf Antrag von Grünen, SPD und FDP - eine Sondersitzung geben. Und doch mehr sich auch in der Union die Kritik. Das Krisenmanagement von Aiwanger „ist offen gestanden nicht das, was ich mir vorstelle, wie jemand, der in einer solchen Lage ist, damit umgeht“, sagt CDU-Chef Friedrich Merz am Freitag. Er empfinde den ganzen Vorgang „in jeder Hinsicht als wirklich hoch verstörend, irritierend und auch grauenhaft“, unterstreicht Merz. „Irgendwann muss er hinreichend, ausreichend nachvollziehbar erklären, was da war, und auch deutlich machen, dass er heute so nicht mehr denkt und handeln würde.“

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagt, sein Eindruck sei, dass Aiwanger am Donnerstag anders als zuvor versucht habe, „der Öffentlichkeit zumindest zu signalisieren, dass es da deutlichste Fehler in der Vergangenheit gegeben hat“. Er hoffe, dass Aiwanger in den Antworten auf die ihm gestellten Fragen weitere Erklärungen finde. Daraufhin werde man beraten und Entscheidungen treffen können.

Derweil wächst der öffentliche Druck. Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, hält Aiwanger vor, keinen Willen zu einer offenen Aufklärung zu zeigen. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, kritisiert, Aiwanger schade der Erinnerungskultur in Deutschland, weil er die Vorwürfe nicht vollumfänglich aufkläre.

Noch sind Ferien in Bayern. Aber der Wahlkampf ist ein heißer geworden. Und noch sind die Folgen der Affäre Aiwanger nicht absehbar.

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