Kommentar zur Verfassungsgerichtsentscheidung Richter stehlen AfD die Show

Berlin · Einstimmig hat das Bundesverfassungsgericht eine Klage der AfD gegen Merkels Flüchtlingspolitik abgewiesen. Mit ein wenig Nachdenken hätte die AfD da auch selbst drauf kommen können.

 Das Bundesverfassungsgericht (hier eine Archivaufnahme) hat die Klage der AfD gegen die deutsche Flüchtlingspolitik für unzulässig erklärt.

Das Bundesverfassungsgericht (hier eine Archivaufnahme) hat die Klage der AfD gegen die deutsche Flüchtlingspolitik für unzulässig erklärt.

Foto: dpa/Uli Deck

Der schnelle Leser mag reflexhaft versucht sein, die Empörungstaste zu drücken: Da bringt die AfD endlich die hoch umstrittene Flüchtlingspolitik von Angela Merkel im Jahr 2015 vor das höchste deutsche Gericht. Und die Richter weisen gleich drei Klagen dagegen ab. Und das auch noch einstimmig. Ja sehen sie denn nicht die Diskussion auch unter Topjuristen? Missachten sie die Zweifel, die sogar von einem ehemaligen Verfassungsrichter wie Hans-Jürgen Papier in Gutachten gepackt wurden? Übergehen sie den Umstand, dass sogar der Freistaat Bayern eine Klage gegen die Flüchtlingspolitik vorbereitet hatte?

Dieses Mal sollte der Reflex ausgeschaltet bleiben. Denn nicht der Rechtsstaat hat hier unangemessen reagiert, sondern die AfD hat sich mit ihrem versammelten juristischen Verstand blamiert. Auch ihre vielen Juristen sollten im ersten Semester Verfassungsrecht die Aufgabe von so genannten Organklagen gelernt haben: Den verfassungsgemäßen Umgang zwischen den Verfassungsorganen sicherzustellen. Wie soll also die AfD-Fraktion des Bundestages im Jahr 2018 vom Handeln der Bundesregierung im Jahr 2015 in ihren Rechten verletzt worden sein?

Der Vorgang wird zur Peinlichkeit, indem die AfD in einer parallelen Klage die verfassungsgerichtliche Feststellung verlangt, dass die Regierung nur auf der Grundlage eines noch zu verabschiedenden „Migrationsverantwortungsgesetzes“ handeln dürfe. Ein solches Gesetz will die AfD selbst aber nicht einmal initiieren, wie sie in ihrer Klagebegründung schreibt. Sie moniert also die Verletzung von Rechten, die keiner anzweifelt und die sie obendrein selbst nicht einmal in Anspruch nehmen will. Da wäre zumindest ein Ansatzpunkt erkennbar gewesen: Wenn die AfD eine Gesetzesinitiative auf den Weg gebracht, auf wundersame Weise im Bundestag eine Mehrheit dafür bekommen hätte und die Bundesregierung sich geweigert hätte, das Gesetz anzuwenden. Aber selbst nichts tun und dann das Verfassungsgericht einschalten, um klären zu lassen, dass andere etwas tun müssten, was man selbst ablehnt, das ist schon eine originelle Rechtsauffassung.

Entlarvend ist die Stellungnahme von Stephan Brandner, dem Justiziar der AfD-Fraktion, der auch Vorsitzender des Bundestags-Rechtsausschusses ist. Die AfD habe darauf gesetzt, dass sich das Verfassungsgericht inhaltlich mit dem Thema ihrer Klage auseinandersetzen werde und in einer mündlichen Verhandlung die Flüchtlingspolitik Merkels beleuchten werde. Dafür gab es in Karlsruhe keinerlei Grund, weil es im Kern ja um die Verletzung von Rechten der AfD-Fraktion ging. Sie setzte wie so oft in ihren taktischen Politikeffekten auf Show. Die haben ihr die Verfassungsrichter sehr zu recht gestohlen.

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