Richtungskampf nach Wahl Die AfD zerlegt sich erneut auf offener Bühne

Mit einer an Kontroverse kaum noch zu überbietenden Bewertung des Wahlergebnisses sind bei der AfD die alten Richtungskämpfe neu ausgebrochen. Sie steuert nun auf einen finalen Machtkampf bei ihrem nächsten Parteitag im Dezember zu.

 Jörg Meuthen, Tino Chrupalla und Alice Weidel kurz vor Beginn ihres denkwürdigen Auftritts am Montag in der Bundespressekonferenz.

Jörg Meuthen, Tino Chrupalla und Alice Weidel kurz vor Beginn ihres denkwürdigen Auftritts am Montag in der Bundespressekonferenz.

Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

Was macht es mit einer Partei, wenn sie am Ende des Wahlabends in 13 Bundesländern ein mehr oder minder dickes Minus eingefahren hat, zwei Mal ihren Stand halten konnte und nur einmal ein leichtes Plus aufzuweisen hat? Bei der AfD sagt dazu der Vorsitzende Jörg Meuthen, dass man sich das Ergebnis „nicht schönreden“ dürfe. Die Spitzenkandidatin Alice Weidel ergänzt, dass sie sich das Ergebnis „von niemandem schlechtreden“ lasse, weil sie „sehr, sehr zufrieden“ sei. Daraufhin meint Meuthen, dass damit „niemand zufrieden“ sein dürfe. Beim Kalkarer Parteitag hatte sich die AfD im Vorjahr bereits auf offener Bühne zerlegt, nun wiederholte sie die Aufführung in Berlin. Nach dem Burgfrieden um die künftige Ausrichtung der Partei im Wahlkampf ist der Kampf wieder voll entbrannt. Er steuert auf eine Entscheidungsschlacht beim Parteitag im Dezember in Wiesbaden zu.

Selbst in Nebensätzen widersprechen sich die beiden Vorsitzenden. Meuthen weist darauf hin, dass die AfD viele Wähler mit ihrer Forderung nach einem Austritt Deutschlands aus der EU (“Dexit“) abgeschreckt habe. Daraufhin merkt sein Ko-Vorsitzender und Ko-Spitzenkandidat Tino Chrupalla an, er habe im Wahlkampf niemanden getroffen, der deswegen die AfD nicht wählen wollte. Das sei im übrigen auch mit der Stimme von Meuthen beim Parteitag beschlossen worden. Daraufhin stellt Meuthen klar, er sei tatsächlich der schärfste Kritiker des jetzigen Zustands der EU, aber das eine Wort „Dexit“ sei zu viel. Darauf wieder Chrupalla: „Das steht doch gar nicht drin.“

Von diesem Kaliber gibt es bei der Wahlnachlese-Pressekonferenz der AfD-Spitze vor der Hauptstadtpresse noch weitere Reibereien und Tiefschläge Weidel kritsiert, dass man sich manche Debatten hätte sparen können, weil der Wähler nichts mehr hasse, als wenn sich eine Partei nur mit sich selbst beschäftige. Meuthen betont, dass er während des Wahlkampfes die Füße still gehalten habe, dass er jedenfalls vor vier Jahren in Baden-Württemberg noch 15,1 Prozent geholt habe und die Partei nun unter Weidel unter zehn Prozent gefallen sei.

Die Fingerhakeleien münden in die zentrale Ankündigung Meuthens, dass die Partei die Diskussion über ihre künftige Richtung jetzt führen müsse. Er will die AfD für Wähler der Mitte attraktiv machen und verweist nachdrücklich auf das Phänomen, dass die Union krasse Stimmenverluste habe hinnehmen müssen, aber kaum nennenswerte Zahlen an Wählern von der Union zur AfD gewechselt seien.

Wenn es um die künftigen Ausrichtungen und Erfolgsaussichten geht, liefert das Ergebnis der Bundestagswahl auch andere Interpretationsmöglichkeiten. Insgesamt hat die AfD gegenüber 2017 knapp über eine Million Zweitstimmen eingebüßt (minus 2,3 Prozent). Wo sie noch vergleichsweise moderat trotz aller schrillen Töne aufgetreten ist, hat sie die Zweistelligkeit verloren. Im Westen blieb allein das Saarland bei 10,0 Prozent. Im Osten liegt sie weiterhin über 18 Prozent, ist in Sachsen und Thüringen sogar stärkste Kraft und hat einen einzigen Ausreißer bei den Minuswerten: In Thüringen konnte sie um 1,3 Punkte auf 24,0 Prozent zulegen. Also dort, wo AfD-Scharfmacher Björn Höcke für ständige Zuspitzung steht.

Beim Wahlparteitag hatte er erstmals in Serie mit offenen Wortmeldungen zur Ausrichtung der Partei beigetragen. Ob er nun im Dezember nach dem Vorsitz greift? Jedenfalls dürfte der von ihm mit lancierte Versuch, Meuthen abzusägen, eine Wiederholung finden - wenn denn Meuthen wieder antritt. Er versicherte, „nicht furchtsam“ zu sein, betonte zugleich aber auch, dass er sich noch nicht entschieden habe, ob er erneut für den Vorsitz kandidiere.

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