Fraktion im Ruhrparlament AfD soll Steuergelder veruntreut haben

10.000 Euro für Weinbestellungen und Werbung bei einem fragwürdigen Internet-Radiosender – die AfD-Fraktion im Ruhrparlament muss sich Untreue-Vorwürfen stellen. Die kommen aus den eigenen Reihen, auch die Staatsanwaltschaft ist bereits eingeschaltet.

 Die AfD ist mit sieben Sitzen auch im Ruhrparlament vertreten.

Die AfD ist mit sieben Sitzen auch im Ruhrparlament vertreten.

Foto: dpa/Daniel Karmann

Einmal mehr spalten pikante Vorwürfe aus den eigenen Reihen ein AfD-Gremium – diesmal im Ruhrparlament des Regionalverbands Ruhr (RVR), wo die AfD mit sieben Mitgliedern eine Fraktion stellt. Oder viel mehr: gestellt hat, denn zwei Parlamentarier haben die AfD-Fraktion bereits verlassen. Grund dafür ist der vermeintliche Missbrauch von Steuergeldern, den sie dem Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Seitz vorwerfen. Mindestens 10.000 Euro, rund zehn Prozent der Fraktionsgelder insgesamt, sollen unsachgemäß eingesetzt worden sein – für 150 Flaschen Wein und Werbung in einem zweifelhaften Internetradio, das von der Frau des Fraktionsvorsitzenden, Annette Seitz, betrieben wird.

Mit einem Brandbrief hatten sich drei Fraktionsmitglieder – darunter die beiden inzwischen ausgetretenen – bereits Anfang Februar an den AfD-Landesvorstand gewandt und um Unterstützung bei der Aufklärung gebeten. Darin kritisierten die Unterzeichner nicht nur den Führungsstil und den Mangel an „einfachsten Kenntnissen“ des Vorsitzenden Seitz. „Leider hat man auch keine Ahnung vom Umgang mit Fraktionsgeldern“, heißt es in dem Schreiben, das der Redaktion vorliegt. Knapp 10.000 Euro aus der Parteikasse seien an den Fraktionsvorsitzenden beziehungsweise die Firma seiner Frau geflossen, die Leistung dafür ausgeblieben. Das Angebot, das die AfD-Fraktion im Oktober 2021 bei der Firma „Expose Media UG“  eingeholt hat zwecks Öffentlichkeitsarbeit, liegt der Redaktion ebenfalls vor. Demnach sollte der Radiosender „Antenne Frei“ bis Ende 2021 mit „spezifischen Themen des RVR“ und „Interviews mit AfD-Vertretern im RVR“ für die Partei werben. Kostenpunkt: 9520 Euro. Ansprechpartner der Firma: Herr Seitz. Als Geschäftsführerin eingetragen: Annette Seitz.

Ob die Fraktionsspitze in Form von Familie Seitz tatsächlich in die eigene Tasche gewirtschaftet und dafür öffentliche Gelder missbraucht hat, muss sie nun nicht nur dem RVR gegenüber erklären, wie das Büro der Regionaldirektorin auf Nachfrage bestätigte. Auch die Staatsanwaltschaft Essen ist inzwischen involviert. Eine Strafanzeige des RVR gegen den Fraktionsvorsitzenden Seitz wegen Untreue sei am Montag eingegangen, bestätigte eine Sprecherin der Behörde. „Wir prüfen jetzt, ob wir Ermittlungen aufnehmen.“ Seitz selbst reagierte auf Anfragen nicht. Der Fraktionsgeschäftsführer, Alan Imamura wies dagegen die die Anschuldigen zurück und sprach von „haltlosen Vorwürfen“ gegen die Fraktionsspitze. „Wir werden dem RVR alles darlegen, und wenn nötig auch der Staatsanwaltschaft“, so Imamura.

Das Angebot über die Radio-Werbung habe die Fraktion letztlich nicht in Auftrag gegeben, Geld sei gar nicht geflossen, betonte er. Die von der Fraktion aus Steuergeldern bestellten 150 Flaschen Wein hält Imamura ebenfalls für unstrittig. Der Verwendungszweck als Präsente „im üblichen Rahmen“ sei nicht nicht zu beanstanden. Die Brandbriefschreiber wiederrum halten die Bestellung im Wert von etwa 1800 Euro hingegen für überzogen und befürchten einen Verstoß gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot. Die Verwendung der Fraktionsgelder sind schließlich streng zweckgebunden. Pikantes Detail: Die unter anderem georderten  50 Flaschen 2009er Grauburgunder und 50 Flaschen „Großer Herrgott“ ließ Fraktionschef Seitz an die Adresse seiner Firma „Expose Messebau GmbH“ nach Dortmund schicken, wie aus dem Lieferschein des Mülheimer Weinhändlers hervorgeht.

Wo die Weinflaschen letztlich verblieben sind, konnte keiner der drei Kritiker sagen. Zwei von ihnen, der Bochumer AfD-Politiker Christian Krampitz und der Mülheimer Reinhard Zielke, haben mit dem Austritt aus der Fraktion bereits ihre Konsequenzen gezogen und eine neue „Alternative Gruppe im RVR“ angemeldet. Der dritte Unterzeichner, Friedhelm Rikowski, gab an, die Ermittlungen abzuwarten und sich die Entscheidung über einen Austritt offen zu halten. Er tritt für seinen Wahlkreis in Gelsenkirchen für die AfD bei der Landtagswahl an.

Der Landesvorstand, dem Schlagzeilen wie diese wenige Wochen vor der Wahl zuwider sein dürften, reagierte auf den Brief indes gut drei Wochen später. Erst am Abend des 28. Februar erhielten die Unterzeichner dem Vernehmen nach eine Antwort. Auf Nachfrage der Redaktion verweist die AfD auf „ein laufendes Verfahren, zu dem der Landesvorstand inhaltlich keine Stellung nimmt.“ Man habe mit den Beteiligten ausführliche Gespräche geführt und den verbliebenen Mitgliedern der Fraktion die Empfehlung gegeben, die Kasse von einem unabhängigen Wirtschaftsprüfer prüfen zu lassen, „um schnellstmöglich Rechtssicherheit und Transparenz zu schaffen“. Dies sei inzwischen eingeleitet worden.

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