Berlin/Erfurt Das Dilemma der CDU mit der AfD

Berlin/Erfurt · Im Countdown für Bodo Ramelow als erstem linken Regierungschef in Thüringen liegen die Nerven blank. Eine Stimme entscheidet über das Linksbündnis - oder die Chancen von CDU-Newcomer Mike Mohring, mit AfD-Hilfe gewählt zu werden.

 Skeptisch schauend, aber ohne Berührungsängste beäugen sich Bodo Ramelow (Linke) und Mike Mohring (CDU).

Skeptisch schauend, aber ohne Berührungsängste beäugen sich Bodo Ramelow (Linke) und Mike Mohring (CDU).

Foto: dpa

Kurz vor der von Rot-Rot-Grün geplanten Wahl des Linken-Politikers Bodo Ramelow zum ersten Regierungschef eines Bundeslandes entwickelt sich die Machtfrage in Thüringen zum Polit-Krimi. Die Akteure telefonieren hektisch miteinander und mit den Bundesparteien. Der Grund: Ein einziger Abtrünniger reicht, um das erste Linksbündnis unter Führung der SED-Nachfolger zu verhindern und den CDU-Nachwuchspolitiker Mike Mohring zum Ministerpräsidenten zu wählen.

Hintergrund ist das knappe Wahlergebnis. Die CDU hatte unter Führung von Christine Lieberknecht zwar mit 34 von 91 Mandaten die Wahl gewonnen, ihren bisherigen Koalitionspartner SPD aber ins andere Lager verloren. Zusammen mit den Linken (28 Stimmen) und den Grünen (sechs) kommen die zwölf SPD-Abgeordneten haarscharf auf die nötigen 46 Stimmen, um Ramelow bereits im ersten oder zweiten Wahlgang an die Macht zu bringen.

Klappt das nicht, ist nach Thüringer Verfassung ausreichend, wer im dritten Wahlgang die "meisten" Stimmen hat. Darüber ist jedoch ein heftiger Streit entstanden. Heißt das, dass die Nein-Stimmen außen vor bleiben? Könnte das bedeuten, dass im Extremfall ein Politiker gewählt wäre, der nur eine Ja- und 90 Nein-Stimmen hätte?

Um eine Verfassungskrise zu vermeiden, hat Lieberknecht ihre Fraktion darauf eingeschworen, mit einem eigenen Kandidaten anzutreten. Dazu tagt derzeit eine Findungskommission, die morgen Abend einen Vorschlag machen will, über den die CDU-Fraktion dann abstimmt - rechtzeitig vor der 48-Stunden-Frist für die Einreichung von Vorschlägen vor der Wahl am Freitag um 10 Uhr.

Die auf Anhieb mit elf Abgeordneten ins Parlament gewählte Alternative für Deutschland (AfD) hat sich in die CDU-Überlegungen eingemischt und CDU-Fraktionschef Mohring sämtliche AfD-Stimmen zugesichert. Der 41-Jährige sei ein "profilierter Konservativer", "junger Stürmer" und "voll im Saft", heißt es.

Tatsächlich hatte Mohring schon im Wahlkampf eine riskante Gratwanderung gewagt, indem er sich auf ein Doppelinterview mit AfD-Spitzenkandidatin Frauke Petry einließ und sich dabei sogar in einem Hotelzimmer mit Bett im Hintergrund ablichten ließ. Versteckte Botschaft: Wir sind bereit zum Kuscheln. Verbal bezeichnete Mohring diese Unterstellung als "Quatsch". Die CDU gehe nicht mit der AfD ins Bett. Er freue sich zwar nicht, dass es diese Partei gebe, müsse aber anerkennen, dass sie der NPD 13 000 Stimmen abgeworben habe, wodurch diese den Wiedereinzug in den Landtag verpasste. Das sei "erst mal gut für unsere Demokratie".

Fraglich bleibt, ob die gegeneinander stehenden Lager - also Mohring und Lieberknecht - alle 34 Stimmen der CDU-Abgeordneten auf einen Kandidaten vereinen können. Zusammen mit der AfD wären es dann 45 - eine einzige Stimme von SPD, Linken oder Grünen in geheimer Wahl würde reichen.

Ein SPD-Parteitag gab dem Bündnis am Wochenende zwar 95-prozentige Rückendeckung. Zustimmung wird auch von Mitgliederentscheiden bei Linken und Grünen erwartet. Aber dass mit Wolfgang Tiefensee als künftiger Wirtschaftsminister ein Externer vorbei an den Thüringer Genossen zum Zuge kommen soll, stößt nicht nur auf Begeisterung. Neue Zweifel an der Stasi-Ferne von Ramelow nährten zudem Berichte über seine bis Oktober währende Zusammenarbeit mit einem Ex-Stasi-Offizier in der Geschäftsführung einer Immobilienfirma.

In dieser Situation setzt die Linke nun auf die CDU-Kanzlerin. Um Mohring als "Kandidat der vereinigten Rechten" zu stoppen, appellierte Linken-Chef Bernd Riexinger an Angela Merkel, in Sachen Thüringen ein "Machtwort" zu sprechen: "Die CDU-Vorsitzende muss klarstellen, dass es keinen CDU-Ministerpräsidenten mit AfD-Unterstützung geben wird", sagte Riexinger unserer Zeitung.

(may-)
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