Ärger um Delegiertenauswahl AfD-Bundesparteitag könnte wiederholt werden

Düsseldorf/Berlin · Unregelmäßigkeiten bei der Delegiertenauswahl aus NRW könnten die Vorstandswahl der AfD in Hannover ungültig werden lassen. Das Schiedsgericht beschäftigt sich mit der Anfechtung des Parteitags.

 Der AfD-Bundestagsabgeordnete Kay Gottschalk im Dezember 2017 auf dem Parteitag in Hannover.

Der AfD-Bundestagsabgeordnete Kay Gottschalk im Dezember 2017 auf dem Parteitag in Hannover.

Foto: dpa, hcd cgt jai

Als es am ersten Dezemberwochenende in Hannover um die Neuwahl der AfD-Spitze ging, wurde es spannend. Die Mehrheit der Delegierten machte Jörg Meuthen zwar erneut zum Parteichef, doch schon bei der Wahl des Ko-Vorsitzenden wurde es eng. Zweimal kam es bei der Stichwahl zwischen dem Berliner AfD-Politiker Georg Pazderski und der rechten Flügel-Frau Doris von Sayn-Wittgenstein zum Patt. Jede der 577 abgegebenen Stimmen hatte Gewicht - das könnte der Partei jetzt zum Verhängnis werden. Denn eine Stimme hätte womöglich gar nicht abgegeben werden dürfen: die von AfD-Politiker Kay Gottschalk aus NRW.

Ärger um Gottschalks Adresse

Laut dem Antrag eines NRW-Mitglieds an das Bundesschiedsgericht, der unserer Redaktion vorliegt, hätte der Bundestagsabgeordnete Gottschalk, der auch dem neuen Bundesvorstand angehört, in Hannover kein Delegierter sein dürfen. Hintergrund sind seine Wohnsitzangaben. Gottschalk lebte eigentlich in Hamburg, wo er auch in der AfD-Fraktion tätig war, verlegte seinen Lebensmittelpunkt nach eigenen Angaben zu Jahresbeginn 2017 aber nach Nettetal im Kreis Viersen.

Der Hintergrund: NRW-Chef Marcus Pretzell hatte ihn damals um eine Kandidatur für die Bundestagswahl gebeten, um einen Widersacher auszustechen. Gottschalk verfehlte den Spitzenplatz, erreichte aber Platz vier auf der NRW-Liste und zog darüber im September in den Bundestag ein. Auf der Wahlbekanntmachung des Kreises Viersen, wo er sich zudem als Direktkandidat aufstellen ließ, stand allerdings weiterhin: seine Hamburger Adresse.

Gleichzeitig behielt der 52-Jährige nämlich sein Mandat in der AfD-Ratsfraktion Hamburg-Mitte, seinem Hauptwohnsitz bis heute. Dem Hamburger Bezirksverwaltungsgesetz zufolge ist dies auch nur möglich, wenn der Hauptwohnsitz innerhalb Hamburgs bestehen bleibt. So weit ist es also höchstens moralisch verwerflich, ein Doppel-Mandat auszuüben. Gottschalk aber ließ sich am 17. Juni 2017 in Düsseldorf zum Delegierten für Bundesparteitage wählen - was laut Satzung der NRW-AfD nur bei Mitgliedern möglich ist, die dem Landesverband angehören und auch ihren Hauptwohnsitz in NRW haben. Kay Gottschalk hat also, so legt es das Schreiben nahe, entweder sein Ratsmandat in Hamburg zu Unrecht behalten - oder sich zu Unrecht als NRW-Delegierter aufstellen lassen.

"Ehrenwort"

Letzteres soll die Wahlen beim Parteitag in Hannover ungültig gemacht haben. Der Antragsteller fordert in dem Schreiben an den Bundesvorstand und ans Schiedsgericht "die Annullierung sämtlicher Wahlgänge zum Bundesvorstand ab der Wahl zum 2. gleichberechtigten Sprecher, die Ernennung eines Notvorstands ab dem 1. Januar 2018, die unverzügliche Einberufung eines Bundesparteitags zwecks Nachwahlen des Bundesvorstands - und den Entzug des Delegiertenstatus des Herrn Kay Gottschalk".

Nun müsse sich das Schiedsgericht um Aufklärung bemühen, erklärt AfD-Chef Jörg Meuthen. Anfechtungen von Parteitagen seien indes kein seltener Vorgang. "Ohne die juristische Beurteilung vorwegzunehmen, halte er die Anfechtung aber für unbegründet. "Nach mir vorliegenden Auskünften kann es keinen Zweifel an der Korrektheit des Delegiertenstatus des Herrn Gottschalk geben", sagt Meuthen. Der zuständige Bezirksvorsitzende Düsseldorfs, Landtagsmitglied Herbert Strotebeck, gibt auf Nachfrage zur Delegiertenwahl im Juni an: "Der Wohnsitz von Herrn Gottschalk wurde nicht geprüft."

Gottschalk selbst sagt: "Aus meiner Sicht ist alles juristisch einwandfrei gelaufen." Die Vorwürfe seien abwegig, es würden - wie so oft innerhalb der AfD - Zusammenhänge verdreht und zum Skandal aufgebauscht. Seinen Hauptwohnsitz in Hamburg habe er nur übergangsweise behalten, um sich in Nettetal in Ruhe eine Immobilie zu suchen und um die Drei-Mann-Fraktion in Hamburg nicht zu zerschlagen, da habe er sein "Ehrenwort" gegeben. Außerdem habe er die Bundestagswahl abwarten wollen, um sich seines Mandats in Berlin sicher zu sein. Das Mandat in der Hamburger Fraktion will er zum 31. Januar abgeben - und sich bis dahin auch umgemeldet haben. Schon vor seiner Delegiertenwahl habe der Kreisverband Viersen ihn als Mitglied aufgenommen. Laut Parteisatzung muss es in solchen Fällen allerdings einen Vorstandsbeschluss geben. Ob der vorlag und Gottschalk letztlich in Hannover mitstimmen durfte, muss das Schiedsgericht klären - möglicherweise auch ein Verwaltungsgericht in Berlin.

Sollte die Anfechtung durchkommen und sollten die Entscheidungen in Hannover ab der Wahl Meuthens zum AfD-Chef ungültig sein, hätte die AfD-Spitze jedenfalls ein Problem. Das Parteiengesetz legt in Paragraf elf zu Bundesvorständen fest: "Der Vorstand muss aus mindestens drei Mitgliedern bestehen."

(jra)
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