Bahrs Pläne gegen Arztpraxen Ärztekammer-Chef nennt Sanktionspläne naiv

Berlin (RPO). Sanktionen für Ärzte, die Kassenpatienten lange warten lassen? Freunde bei der Ärzteschaft hat sich FDP-Gesundheitsminister Daniel Bahr damit nicht gemacht. Ärztekammer-Chef Frank Ulrich Montgomery nennt die Pläne in einem Interview sogar "ein bisschen naiv". Doch dass sein Gegenvorschlag der besseren Bezahlung ebenfalls einen Haken hätte, verschweigt er gewissentlich.

Daniel Bahr: Ein Bergsteiger will hoch hinaus
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Frank Ulrich Montgomery hält im Interview mit dem WDR nicht hinterm Berg, was er von dem aktuellen Vorschlag des Gesundheitsministers hält. "Ich halte das für ein bisschen infantil, was er da gesagt hat", erklärt er. Und er ergänzt, man wisse doch ganz genau, in welcher Lage sich die FDP gerade befinde. "Da muss man manchmal zu derart populistischen Maßnahmen greifen", so Montgomery. Denn das Vorurteil, Privatpatienten würden besser behandelt als Kassenpatienten sei schließlich ein beliebtes Thema.

Daniel Bahr plante angeblich, dass niedergelassene Ärzte künftig weniger Honorare erhalten sollten, wenn Kassenpatienten zu lange auf einen Termin warten müssen. Ein Sprecher des Gesundheitsministers stellte jedoch klar, dass es keine gesetzlich vorgeschriebenen Sanktionen geben werde.

Zustimmung von der AOK

Daher verwundert es nicht, dass Montgomery sofort Populismus vermutet, wenn die FDP mit solch einem Thema um die Ecke kommt - zumal es sonst auch immer die Liberalen waren, die sich für die Besserverdiener (siehe Beispiel Hotelsteuer) eingesetzt haben. Doch die Partei will diesen Ruf schon lange loswerden, braucht wieder Wählerstimmen und setzt nun ganz eigene Akzente.

Von der AOK jedenfalls gibt es für den Vorstoß Bahrs Lob. "Der Gesetzgeber muss gegen die langen Wartezeiten bei Fachärzten vorgehen", sagte der Chef er AOK Rheinland-Hamburg unserer Redaktion. Viele Hausärzte seien vorbildlich, doch viele Fachärzte ließen Kassenpatienten warten. Und Jacobs geht noch weiter als Bahr. "Fällt ein Arzt immer wieder durch überlange Wartezeiten auf, muss ihm die Kassenzulassung entzogen werden."

Erst kürzlich hatte die AOK eine Studie herausgegeben mit dem Ergebnis, dass Kassenpatienten in deutschen Arztpraxen nicht genug Leistungen für ihr Geld erhielten. "Aktuell bringen die Versicherten rund vier Milliarden Euro mehr für die ärztliche Versorgung auf, als sie dafür bekommen", sagte der designierte Verbandschef Jürgen Graalmann. Die AOK argumentiert, vor allem die Fachärzte leisteten weniger Stunden für Kassenpatienten als vereinbart. Und dies, obwohl in den letzten Jahren die Honorare gestiegen seien. Montgomery sprach von "Uraltvorwürfen aus der gesundheitspolitischen Mottenkiste".

Montgomery: Vernünftige Bezahlung

Montgomery sieht die Realitäten naturgemäß ganz anders. Der Vorschlag Bahrs treffe nicht den eigentlichen Punkt. Der sei, dass es seit dem von der Politik gewollten Wettbewerb der Ärzte bei den besten unter ihnen eben zu Wartezeiten kommt. Dann müsse man, so seine Forderung, "schlicht und einfache" bessere Arbeitsbedingungen für Ärzte schaffen.

Man brauche nicht gleich den Gesetzgeber anzurufen, sondern es könne durch Verträge der Kassenärtzlichen Vereinigung und den Ärzten geregelt werden. Sprich: Die Ärzte sollten vernünftiger bezahlt werden, dann könnte es eine Verbesserung geben.

Was Montgomery dabei verschweigt, ist der Aspekt, dass die Krankenkassen kaum freiwillig mehr Pauschalen an die Ärzte überweisen werden, nur damit die Kassenpatienten besser gestellt werden. Denn genau wie die Ärtze klagen auch die Kassen über wenig Geld. Und so würde die Idee Montgomerys vor allem eins bedeuten: Die Kassenbeiträge würden bei einer solchen Regelung steigen. Denn keiner will sich selbst ins eigene Fleisch schneiden - weder die Ärzte noch die Kassen. Zahlen müsste am Ende wieder der Patient.

Unternehmer oder Lebensretter?

Erstaunlich an Montgomerys Interview ist allerdings, dass er keinen Hehl daraus macht, dass Ärzte tatsächlich Privatpatienten bevorzugen - auch wenn das schon jeder geahnt hat. Er sagt, es sei doch völlig klar, wenn die gesetzlichen Krankenkassen nur bereit seien, "mickrige Pauschalen" für die Behandlung eines Patienten zu zahlen, dass sich Ärzte "Zeitelemente" für Privatpatienten freihielten.

Ärzte reagierten hier rational und auch vernünftig. Damit dürfte Montgomery einerseits sicherlich recht haben. Denn jeder Unternehmer wird danach streben, den größtmöglichen Gewinn herauszuholen. Dass ein Arzt aber weniger Unternehmer als mehr Lebensretter sein sollte, der einen hippokratischen Eid abgelegt hat, geht bei der ganzen Diskussion völlig unter - zum Leidwesen der Patienten.

(RPO/RP)
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