Frank Ulrich Montgomery Ärzte-Chef fordert Helmpflicht für Radfahrer

Passau · Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs entbrennt die Diskussion über eine Helmpflicht für Radfahrer aufs Neue. Der Ärztepräsident Frank Ulrich Montgomery fordert ein Gesetz, das Radfahrer dazu verpflichtet, einen Kopfschutz zu tragen. Der Verkehrsminister ist anderer Meinung.

Helmpflicht - Bundesgerichtshof stärkt das Recht auf Unvernunft - Pressestimmen
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Helmpflicht - das Gericht stärkt das Recht auf Unvernunft

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Im Gegensatz zur Bundesregierung und vielen Vereinen fordern Mediziner eine Fahrradhelmpflicht. "Ich würde eine Helmpflicht für Fahrradfahrer aus medizinischen Gründen begrüßen", sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Frank Ulrich Montgomery, der "Passauer Neuen Presse" (Mittwoch) nach dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH).

Die Richter hatten am Dienstag entschieden, dass Radfahrer nach einem Unfall auch ohne Schutzhelm Anspruch auf vollen Schadenersatz haben. "Fahrräder sind schneller geworden, und der Verkehr insgesamt ist schneller geworden", sagt nun Montgomery. "Der Gesetzgeber sollte dieses Urteil zum Anlass nehmen, eine Helmpflicht einzuführen."

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hatte hingegen für Freiwilligkeit plädiert. Erfahrungen in anderen Ländern zeigten, dass eine Helmpflicht zum Rückgang beim Radverkehr und zu einer Verlagerung aufs Auto führe.

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Es obliegt nun der Politik, darüber zu entscheiden, ob eine Helmpflicht eingeführt werden soll oder nicht. Die Richter hatten nur die Frage zu klären, ob nach gegenwärtiger Rechtslage ein Radfahrer bei einem Unfall auch ohne Schutzhelm Anspruch auf vollen Schadenersatz hat. Im konkret verhandelten Fall ging es um eine Radfahrerin aus Schleswig-Holstein, die 2011 auf dem Weg zur Arbeit schwer am Kopf verletzt wurde. Sie war vor eine geöffnete Autotür geprallt. Die Versicherung wollte ihr nur 80 Prozent der Leistungen auszahlen.

Zur Begründung verwies das Gericht auf die bestehende Gesetzeslage, äußerte sich aber nicht zu Sinn oder Unsinn einer Helmpflicht. "Für Radfahrer ist das Tragen eines Helms nicht vorgeschrieben", sagte der Vorsitzende Richter Gregor Galke bei der Urteilsbegründung in Karlsruhe (Aktenzeichen VI ZR 281/13).

Zwar sorge ein "ordentlicher und verständiger Mensch" dafür, keine Schäden zu erleiden. Ein solches Bewusstsein habe es zum Unfallzeitpunkt 2011 jedoch nicht gegeben. Damals hätten nur elf Prozent der Radfahrer Helme getragen. Derzeit sind es etwa 15 Prozent.

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Foto: afp, AE/ii

Die ersten Reaktionen in Politik und Verbänden fielen überwiegend positiv aus. "Das ist ein guter Tag für die Radfahrer in Deutschland. Denn wir konnten uns bisher frei entscheiden, ob wir einen Helm tragen oder nicht und das können wir auch in Zukunft", sagte die Pressesprecherin des ADFC (Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club e.V.), Stephanie Krone.

Der Gesetzgeber habe bewusst keine Helmpflicht beschlossen, sagte der bahnpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Matthias Gastel. Da sei es nur logisch, dass das nicht durch die Hintertür der Haftungsfrage in Zweifel gestellt worden sei.

Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) rief anlässlich der BGH-Verhandlung dazu auf, freiwillig Schutzhelme zu tragen. "Wir werben an Schulen, an vielen Stellen immer wieder dafür, dass der Helm schwere Schäden verhindern kann. Aber wir glauben, dass die Freiwilligkeit der richtige Weg ist."

"Unsere Verkehrswelt ist schon ausreichend durchreglementiert", begrüßte auch der Auto Club Europa e. V. (ACE) das Urteil. Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) äußerte sich zustimmend. Im Straßenverkehr gelte das Prinzip der gegenseitigen Rücksichtnahme, gerade für Radfahrer und Fußgänger, hieß es. Trotzdem sollten Radfahrer zur eigenen Sicherheit Helme aufsetzen.

Der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) wies darauf hin, dass Radfahrer ohne Helm gefährdeter für schwerere Kopfverletzungen seien. Statt über Schutzhelme zu diskutieren, müssten die Unfallursachen konsequent angegangen werden, teilte der ökologisch orientierte Verkehrsclub VCD mit. Der ADAC appellierte an die Kommunen, für sichere Radverkehrsanlagen zu sorgen. Das Urteil stelle jedoch sicher, dass ein Radfahrer für die Folgen eines unverschuldeten Unfalls in voller Höhe entschädigt werde.

In dem Fall hatte eine Autofahrerin am Straßenrand geparkt und die Autotür unmittelbar vor der sich nähernden Radfahrerin geöffnet. Die Radlerin stürzte schwer. Gegen das OLG-Urteil war sie in Revision gegangen.

(dpa)
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