Achtjähriger vor Zug gestoßen Wie Frankfurt für politische Zwecke instrumentalisiert wird

Frankfurt/Düsseldorf · Es ist eine Tat, für die die Worte fehlen: Ein Mann stößt im Frankfurter Hauptbahnhof eine Mutter und ihr Kind vor einen ICE, der Junge stirbt. Neben Bestürzung und Entsetzen mehrt sich Kritik an jenen, die versuchen, aus dem Fall politisch Kapital zu schlagen.

 Eine Karte mit der der Aufschrift „In stillem Mitgefühl“ steht am Bahnsteig 7 im Frankfurter Hauptbahnhof zwischen Kerzen, Plüschtieren und abgelegten Blumen.

Eine Karte mit der der Aufschrift „In stillem Mitgefühl“ steht am Bahnsteig 7 im Frankfurter Hauptbahnhof zwischen Kerzen, Plüschtieren und abgelegten Blumen.

Foto: dpa/Frank Rumpenhorst

Ein achtjähriger Junge und seine Mutter sind am Montag im Frankfurter Hauptbahnhof von einem Mann vor einen einfahrenden ICE in gestoßen worden. Die Mutter konnte sich retten, der Junge ist gestorben. Ein Tatverdächtiger wurde festgenommen. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt wegen Mordes und wertet Videoaufnahmen aus.

Es ist nicht vorstellbar, wie eine Mutter einen derart grauenhaften und sinnlosen Vorfall verarbeiten soll. Die 40-Jährige hatte sich der Polizei zufolge auf einen Fußweg zwischen zwei Gleisen gerettet. Den bisherigen Ermittlungen zufolge handelt es sich bei dem mutmaßlichen Täter um einen 40-Jährigen aus der Schweiz mit eritreischer Staatsbürgerschaft. Er ist laut der Polizei in Zürich im Kanton Zürich wohnhaft, ist verheiratet und Vater von drei Kindern.

Vermutlich aufgrund seiner ausländischen Nationalität bringt manch einer die Tat nun in Verbindung mit der deutschen Asylpolitik.

Die AfD sieht in dem Tod des Achtjährigen einen neuen Anlass für bekannte Slogans. So fordert die Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Alice Weidel, dass „endlich die Bürger unseres Landes“ geschützt würden, „statt der grenzenlosen Willkommenskultur“. Fünf Stunden später legt sie nach: „Während ganz Deutschland trauert, hebt #Merkel ohne ein Wort der Anteilnahme in den Urlaub ab – natürlich auf Kosten der Steuerzahler. Aus den Augen, aus dem Sinn: Symbolisch für die Politik Merkels und von #CDU/#CSU im #Bundestag seit spätestens 2015! #Frankfurt #Staatsversagen“. Die Bundeskanzlerin fährt privat und auf eigene Kosten in den Urlaub.

Der innenpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion im Bundestag, Gottfried Curio, fragt: „Wie viele deutsche Staatsbürger sollen eigentlich noch auf dem Altar dieser grenzenlosen Willkommenskultur geopfert werden?“

Als Reaktion auf diese Tweets finden sich zahlreiche Forderungen nach der Todesstrafe und Antworten wie diese: „Wenn ich die Frau wäre, die diese Taten im Wesentlichen zu verantworten hat, weil ich 2015 eine mörderische Fehlentscheidung getroffen habe, wüsste ich nicht, wie ich weiterleben könnte.“ Zudem tauchen zahlreiche Fotomontagen auf, die die Bundeskanzlerin mit blutigen Händen zeigen.

Viele kritisieren diese Form der Instrumentalisierung für politische Zwecke als pietätlos.

Sehr deutlich in seiner Kritik ist auch Comedian Oliver Pocher.

Auch der Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt äußerte sich bestürzt. Viele Menschen können es nicht nachvollziehen, dass menschlichen Tragödien politisiert werden und fordern Mitgefühl und Anteilnahme statt Hass.

Die meisten Politiker, darunter Manuela Schwesig (SPD), Serap Güler (CDU), Paul Ziemiak (CDU) und Katrin Göring-Eckardt (Grüne) teilen ihr Beileid und wünschen der Mutter alles Gute. Der Vorsitzende der Linken, Bernd Riexinger, thematisiert in seinen Beiträgen zu Frankfurt vor allem die AfD und weniger die Tat an sich.

Wieder andere zeigen sich von allen Seiten enttäuscht: Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) lädt für Dienstagnachmittag zu einer Pressekonferenz ein. Darin will er von dem Sondertreffen mit den Chefs der Sicherheitsbehörden berichten, das er „angesichts mehrerer schwerwiegender Taten in jüngerer Zeit“ einberufen hatte. „Der Täter wird für die Tat mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu Verantwortung gezogen werden“, sagte in einer ersten Stellungnahme am Montag. Soweit nötig, stelle er dem Land Hessen jede Unterstützung etwa der Bundespolizei oder des Bundeskriminalamts zur Verfügung. Seehofer verwies darauf, dass „in Teilen der Öffentlichkeit“ bereits eine Bewertung der Tat vorgenommen werde. „Dies ist seriös aber erst möglich, wenn die Hintergründe aufgeklärt sind“, betonte der Minister.

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