Bundesregierung kritisiert USA scharf "Abhören von Freunden ist inakzeptabel"
Berlin · Die Bundesregierung hat mit Befremden auf mutmaßliche Ausspähaktionen des US-Geheimdienstes NSA in Deutschland und der EU reagiert. Sie verlangt von Washington rasche Klarheit.

Diese Überwachungsprogramme hat Edward Snowden bislang verraten
"Wenn sich bestätigt, dass tatsächlich diplomatische Vertretungen der Europäischen Union und einzelner europäischer Länder ausgespäht worden sind, dann müssen wir ganz klar sagen: Abhören von Freunden, das ist inakzeptabel", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin. "Wir sind nicht mehr im Kalten Krieg."
Das Auswärtige Amt teilte mit, dass der US-Botschafter in Berlin für Montagnachmittag zu einem Gespräch erwartet werde. Eine förmliche "Einbestellung" sei dies jedoch nicht.
Seibert sagte, notwendig seien nun vollständige Aufklärung "und gegebenenfalls eine einstimmige und auch eine sehr deutliche europäische Reaktion." Die Bundesregierung spreche über das Thema mit der französischen Regierung. "Europa und die USA sind Partner, sind Freunde, sind Verbündete. Also muss Vertrauen die Basis unserer Zusammenarbeit sein. Und Vertrauen muss in dieser Angelegenheit wiederhergestellt werden", sagte der Regierungssprecher.
Steinbrück fordert Regierungskonsultationen
Unterdessen erwartet SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück von der Bundesregierung zur Aufklärung der Spähangriffe die Einleitung von Regierungskonsultationen mit den USA und Großbritannien. Er fordere Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) "sehr gezielt" auf, für Aufklärung zu sorgen, sagte Steinbrück am Montag in Berlin. Dass dies bisher nicht geschehen sei, hinterlasse "mehr als einen schalen Geschmack".
Durch die Berichte über eine massive Ausspähung deutscher Stellen und der Europäischen Union sei ein "enormer Vertrauensverlust" entstanden. "Das ist in freundschaftlichen Beziehungen unvorstellbar", betonte Steinbrück.
Mit Blick auf das geplante transatlantische Freihandelsabkommen sagte Steinbrück, er gehe davon aus, dass die EU die offenen Fragen vor dem Start der Verhandlungen geklärt haben wolle. Er könne sich nicht vorstellen, dass Verhandlungen geführt würden, während in Brüssel EU-Gebäude abgehört würden.
Zur Frage, ob die Aufnahme des flüchtigen IT-Spezialisten Edward Snowden in Europa denkbar wäre, wollte sich Steinbrück zunächst nicht äußern. Das müsse genau geprüft werden, sagte er lediglich. Hierbei gehe es um die Auslegung des deutschen Asylrechts. Zuvor hatte sich Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin dafür ausgesprochen, dem Informanten Snowdon in Europa "eine sichere Unterkunft" zu geben.
Derweil will Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler wegen der Abhöraktion des britischen und des US-Geheimdienstes das Europäische Parlament (EP) einschalten. "Wir schlagen vor, von der Möglichkeit eines Untersuchungsausschusses im Europäischen Parlament Gebrauch zu machen", sagte der FDP-Chef am Montag in Frankfurt. Die Mitglieder des Ausschusses sollten in erster Linie das Verhalten Großbritanniens unter die Lupe nehmen. Der britische Geheimdienst soll einem Bericht des "Guardian" zufolge im großen Stil Telefon- und Internetkabel angezapft und die Informationen an den US-Geheimdienst NSA weitergegeben haben.
Rösler sagte, er erwarte, dass EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso von der amerikanischen und britischen Regierung Aufklärung verlange. Das Ausspionieren von EU-Behörden durch den US-Geheimdienst NSA, von dem der "Spiegel" berichtete, sei für ihn ein Unding. "Wir sind nicht im Kalten Krieg, sondern unter Partnern und Freunden." Ob die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen den USA und der EU durch die Affäre in Mitleidenschaft gezogen werden, ist Rösler zufolge offen.
Telefone und Faxgeräte der EU angezapft
Der NSA hat nach einem Bericht der britischen Zeitung "The Guardian" bei der Überwachung von Verbündeten auch Telefone und Faxgeräte angezapft und Gespräche mit Spezialantennen belauscht. Die Zeitung berichtet über eine Liste mit 38 Abhörzielen, die ihr von dem ehemaligen US-Geheimdienstmitarbeiter Edward Snowden zugespielt wurde. Unter dem Codenamen "Dropmire" wurden beispielsweise mit einer Wanze diplomatische Schreiben abgefangen, die von einem verschlüsselten Faxgerät in der EU-Botschaft in Washington an die Außenministerien europäischer Länder geschickt wurden. Dabei erhoffte man sich dem Bericht zufolge Einblicke in mögliche Meinungsverschiedenheiten zwischen EU-Mitgliedsländern.