„Ein mutiger Vordenker“ Emmanuel Macron bekommt den Aachener Karlspreis

Aachen · Frankreichs Präsident wird als „mutiger Vordenker für die Erneuerung des europäischen Traums“ geehrt. Nicht alle seine Reformideen gefallen der Bundesregierung. Macron mahnt, man müsse Tabus überwinden.

Karlspreis in Aachen: Emmanuel Macron wird ausgezeichnet
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Emmanuel Macron in Aachen

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Foto: dpa/Henning Kaiser

Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron hat für seine Verdienste um die europäische Einigung am Donnerstag in Aachen den Internationalen Karlspreis erhalten. Das Karlspreis-Direktorium würdigt damit Macrons „kraftvolle Vision von einem neuen Europa“ und seinen Kampf gegen Nationalismus und Isolationismus. Ausgezeichnet wird Macron als „mutiger Vordenker für die Erneuerung des europäischen Traums“, wie es in der Begründung hieß. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Laudatio gehalten.

Der Élyséepalast hatte angekündigt, Macron werde sich in seiner Rede dem Europa des Jahres 2030 oder 2050 zuwenden. Das war allerdings vor dem Rückzug der USA aus dem Atomabkommen mit dem Iran und der Erklärung Frankreichs, Deutschlands und Großbritanniens, trotzdem daran festhalten zu wollen.

In einem Interview der ARD-„Tagesthemen“ und der Deutschen Welle plädierte Macron am Mittwochabend für eine Erweiterung der Vereinbarung. Die Europäer blieben in dem Abkommen, weil es für die Stabilität im Nahen Osten wichtig sei. Man müsse aber den Ansatz erweitern um Themen wie ballistische Raketen. Dazu hätten Deutschland, Frankreich und Großbritannien ihren Außenministern das Mandat gegeben.

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Das ist Emmanuel Macron

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Foto: dpa, TH

Macron hofft auf Merkel

Bei den EU-Reformen hofft Macron auf die Bundesregierung. Frankreich nähere sich mit Reformen des Arbeitsrechts und Branchentarifen dem deutschen System. „Frankreich wandelt sich.“ Das müssten die Deutschen erkennen, sagte er in dem Interview. Man müsse Tabus überwinden. Deutschlands Tabu seien die Transferleistungen. Die Vorstellung, dass Deutschland immer zahle, sei absolut falsch, so Macron. In der Finanzkrise habe jeder nach seinem Anteil beigetragen, anderen zu helfen, auch Frankreich. Macron ist ein Jahr im Amt.

Er erhält einer Umfrage zufolge in Deutschland viel Zustimmung für seine Vorhaben. 82 Prozent der Deutschen finden es gut, dass er die EU mit einer Reihe von Vorschlägen voranbringen will, wie der neue „Deutschlandtrend“ von Infratest dimap für die ARD zeigt. Dieses Engagement vermisst die Mehrheit der Befragten dagegen bei der Bundeskanzlerin. 58 Prozent wünschten sich demnach, dass sich die CDU-Chefin mit mehr Leidenschaft für die EU einsetzt. 38 Prozent sehen das anders.

Der langjährige Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz, mahnte die Kanzlerin, stärker auf Macron zuzugehen. Man habe in den Verhandlungen über eine große Koalition das Thema Europa im Koalitionsvertrag „nicht umsonst an die erste Stelle gesetzt“, sagte der SPD-Politiker.

Ähnlich äußerte sich die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments, Evelyne Gebhardt. Die SPD-Politikerin sagte der „Heilbronner Stimme“, Macron sei endlich wieder ein französischer Präsident, der sich klar zu Europa bekenne. „Das fehlte zuletzt bei seinen Vorgängern und das fehlt mir auch bei Kanzlerin Merkel.“

„Peinliches Ritual“

Die Grünen warfen der Bundesregierung Schlafwandeln in der EU-Politik vor. „Wir werden von Angela Merkel bei ihrer Laudatio auf Emmanuel Macron wieder wohlklingende Prosa zur Zukunft Europas hören“, sagte Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter der dpa. Doch die Rede wird ein „peinliches Ritual“, wenn Deutschland bei den EU-Reformen nicht endlich liefere. „Es ist traurig und bestürzend zu beobachten, wie die Bundesregierung beim Thema Europa schlafwandelt.“

Die Karlspreis-Feierlichkeiten begannen am Donnerstagmorgen mit einer Messe im Aachener Dom. Wegen der angespannten Sicherheitslage und der Gästeliste sind die Sicherheitsvorkehrungen deutlich höher als in den vergangenen Jahren. Von einer angemeldeten Demonstration von Atomkraftgegnern erwartet die Polizei aber keine Störungen. Als Repräsentant des Anteilseigners Frankreich sehen die Initiativen Macron in der Verantwortung, sich für die Schließung der umstrittenen Atomkraftwerke Doel bei Antwerpen und Tihange bei Aachen einzusetzen.

(dpa/see)
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