Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung 6,5 Prozent Deutsche sind unterpriviligiert

Frankfurt/Main (rpo). In Deutschland gehören angeblich rund 6,5 Millionen Menschen einer neuen gesellschaftlichen Unterschicht an. Sie sind unterprivilegiert, weil ihre Bildung überwiegend einfach, ihre berufliche Mobilität gering und ihr Aufstiegswillen nur wenig ausgeprägt sind. Das ergab eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Wie die "Bild am Sonntag" unter Berufung auf eine Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung berichtet, sind acht Prozent der Bevölkerung unterpriviligiert. Insbesondere in der SPD löste die Studie eine Diskussion über die Sozialpolitik der vergangenen Jahre aus.

Besonders hoch sei dieser Unterschicht-Anteil mit 20 Prozent in Ostdeutschland, im Westen gehörten vier Prozent der Menschen zu dieser Kategorie, heißt es in der Studie des Instituts TNS Infratest für die Ebert-Stiftung. Zwei Drittel dieser Menschen seien arbeitslos, die Übrigen empfänden ihren Arbeitsplatz häufig als unsicher. Die Unterschicht verfüge über ein sehr niedriges Haushaltseinkommen, kaum Wohneigentum oder finanzielle Rücklagen und nur wenig Rückhalt in der Familie. Schulden seien ein weiteres Problem. Sie sähen sich außerdem als Verlierer und fühlten sich vom Staat allein gelassen.

Laut "Bild am Sonntag" soll die Studie in die Debatte über das SPD-Grundsatzprogramm einfließen. SPD-Chef Kurt Beck wolle einen "Bildungsaufbruch" organisieren, um den Kindern der Unterschicht einen Aufstieg zu ermöglichen. Beitragsfreie Kindergärten und der Ausbau von Ganztagsschulen seien Teil der Pläne. Beck hatte die Diskussion vor einer Woche angestoßen. Er äußerte sich besorgt über eine wachsende Unterschicht ohne Aufstiegswillen in Deutschland.

Nach ergänzenden Abgaben des niedersächsischen Soziologen Christian Pfeiffer sind die Jugendlichen überproportional unterprivilegiert. Dem Berliner "Tagesspiegel" (Montagausgabe) sagte er unter Berufung auf eine bundesweite Schülerbefragung, dass zehn bis 15 Prozent der unter 18-Jährigen in diese Kategorie gehörten, in manchen Regionen des Landes seien es sogar 20 Prozent der Jugendlichen, die über zu wenig Bildung verfügen und keine Aufstiegschancen für sich sehen. Für die Misere mitverantwortlich machte der Soziologe das gegenwärtige Schulsystem in Deutschland.

Schreiner beschuldigt die eigene Partei

Der SPD-Politiker Ottmar Schreiner warf in diesem Zusammenhang der eigenen Partei vor, schuld am Entstehen der Unterschicht zu sein. "Armut und soziale Ausgrenzung sind nicht über uns gekommen", sagte der Parteilinke dem "Tagesspiegel am Sonntag". Sie seien das Ergebnis der Politik des damaligen Kanzlers Gerhard Schröder. Besonders die Arbeitsmarktreform Hartz IV habe dazu geführt, dass Millionen keine Chance mehr hätten, aus dem Niedriglohnsektor herauszufinden.

Der stellvertretende SPD-Fraktionschef Stefan Hilsberg bezeichnete die Hartz-IV-Politik der früheren rot-grünen Bundesregierung als eine "Lebenslüge". "Wir haben den Menschen vorgegaukelt, dass mit Fordern und Fördern jeder den ersten Arbeitsmarkt erreichen kann", sagte der Bundestagsabgeordnete dem "Tagesspiegel" (Montagausgabe). SPD-Fraktionsvorstandsmitglied Klaus Brandner forderte seine Partei auf: "Wenn es um die Probleme der so genannten Unterschicht geht, dann müssen wir uns ehrlich machen". Es gebe sehr viele Menschen in Deutschland ohne Chance auf sozialen Aufstieg.

Kritik an dem seiner Meinung nach stigmatisierenden Begriff "Unterschicht" übte indessen der CDU-Sozialexperte und Bundestagsabgeordnete Ralf Brauksiepe. "Das Wort Unterschicht passt nicht in den politischen Sprachgebrauch", sagte der Unionspolitiker. Dies ändere jedoch nichts daran, dass eine soziale und vor allem eine bildungspolitische Debatte geführt werden müssten.

(ap)
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