Kritik an Bundespräsident Christian Wulff 500.000 Euro und viele Fragen

Düsseldorf · Bundespräsident Christian Wulff steht weiter im Kreuzfeuer: Er soll einen Privatkredit über 500.000 Euro verschwiegen haben. Obwohl sich der 52-Jährige bereits Fehler eingeräumt und sich geäußert hat, wächst der Druck: Wir beantworten die wichtigsten Fragen zur Kredit-Affäre des Bundespräsidenten.

Die Wulffs bestaunen den Orient
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Am Samstag meldeten sich wieder die Kritiker zu Wort: Der FDP-Bundestagsabgeordnete Erwin Lotter fordert den Rücktritt des Staatsoberhauptes. Die SPD, die Wulff noch am Donnerstag Respekt für dessen Erklärung gezollt hatte, verlangt nun weitere Aufklärung.

Bayerns SPD-Chef Florian Pronold sieht die Glaubwürdigkeit des Bundespräsidenten gefährdet. Pronold sagte am Samstag im Bayerischen Fernsehen: "Wenn man das, was man liest, jetzt für bare Münze nimmt, dann hat der Bundespräsident gelogen." Dann habe Wulff "vor wenigen Tagen die Unwahrheit gesagt". Der Vizechef der SPD-Bundestagsfraktion fügte hinzu: "Und dann hat er das moralische Kapital, das er als Bundespräsident braucht, restlos verspielt."

"Es ist unerträglich, dass ausgerechnet der Bundespräsident durch sein Verhalten die Politikverdrossenheit in unserem Land spürbar vorantreibt", sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles. Der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim sagt, Wulff habe gegen das niedersächsische Ministergesetz verstoßen. Alt-Bundespräsident Walter Scheel macht sich öffentlich Sorgen um das Ansehen des höchsten Amts im Staat.

Worum geht es?

Der Bundespräsident steht in der Kritik, weil er einen privaten Kredit, den er für sein Wohnhaus nutzte, verschwiegen hat. Die Vorwürfe stammen aus dem Jahr 2010, damals war Wulff noch niedersächsischer Ministerpräsident. Im Landtag wurde er nach seinen Geschäftsbeziehungen zum Unternehmer Egon Geerkens befragt. Dabei verschwieg er, dass er von dessen Gattin Edith 500.000 Euro geliehen bekommen hatte. Wulff betont, der Kredit stamme von Frau Geerkens.

Was sind die jüngsten Vorwürfe?

Es gibt Hinweise, dass der Unternehmer selbst Wulff den Kredit gegeben haben könnte, und nicht dessen Frau: Laut "Spiegel" lassen dies Äußerungen Egon Geerkens zu: "Ich habe mit Wulff verhandelt", sagte Geerkens demnach dem Magazin. "Ich habe mir überlegt, wie das Geschäft abgewickelt werden könnte." Zugleich sagte er über das Geld aber auch: "Das stammt von meiner Frau."

Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim wertet allein die Annahme des Darlehens als einen Gesetzesverstoß. Wulff habe gegen das niedersächsische Ministergesetz verstoßen, erklärte er der Zeitung "Die Welt". Das Ministergesetz und der dazugehörige Erlass verbiete die Annahme von verbilligten Krediten. Nach einer von der Zeitung zitierten Bundesbank-Statistik kosteten Wohnungsbaukredite im Oktober 2008 über fünf Prozent Zinsen, Wulff hatte sein Darlehen zu vier Prozent erhalten. Zudem gilt es als ungewöhnlich, Wohnungskredite ohne Grundbucheintrag als Sicherheit zu vergeben. "Wenn es keine Sicherheiten gab - zum Beispiel einen Grundbucheintrag - und Herr Wulff also zu den genannten Konditionen gar keinen Kredit bei einer Bank bekommen hätte, muss man einen Verstoß bejahen", sagte auch der Verfassungsrechtler Ulrich Battis.

"Ein Bezug zum Amt", sagte Arnim, "ist bei dem Darlehen von Frau Geerkens aus meiner Sicht gegeben", weil ihr Mann an drei Reisen des Ministerpräsidenten teilgenommen habe, obwohl er nach "objektiven Kriterien nicht mehr in diese Delegationen" gepasst habe.

Was sagen die Regierungsparteien?

Der FDP-Bundestagsabgeordnete Erwin Lotter fordert den Rücktritt des Staatsoberhauptes. "Statt mit präsidialem Glaubwürdigkeitskredit den Menschen in turbulenter Zeit Orientierung zu geben, ist der Bundespräsident gefangen im spitzfindigen Formulierungskampf um seinen Hauskredit", sagte Lotter am Samstag der Nachrichtenagentur dpa in Berlin. "Der umgehende Rücktritt ist ein Gebot des Anstands und der Verantwortung."

Was fordern nun SPD und Grüne?

Nach Wulffs Einlassung am Donnerstag zollte die SPD ihm noch Respekt für die Erklärung, nun wird der Ton schärfer. Sie wollen weitere Aufklärung vom Staatsoberhaupt. "Ein Bedauern reicht nicht, wenn Vorwürfe, wie sie jetzt in den Medien erhoben werden, im Raum stehen", sagte Generalsekretärin Nahles der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Wulff müsse "aus Respekt und aus Achtung vor unseren demokratischen Institutionen" alle Fakten auf den Tisch legen. Nahles fügte hinzu: "Es ist unerträglich, dass ausgerechnet der Bundespräsident durch sein Verhalten die Politikverdrossenheit in unserem Land spürbar vorantreibt."

Die Grünen sehen neue Ungereimtheiten. Der Grünen-Rechtspolitiker Hans-Christian Ströbele sagte dem "Focus", wenn sich bestätige, dass Geerkens die Verhandlungen mit Wulff geführt habe, "dann könnte das die Lage völlig verändern". Ströbele fügte hinzu: "Dann wird es eng für Herrn Wulff." Die Grünen im Landtag wollen im Ältestenrat am Dienstag ursprüngliche Fragen zu dem Darlehen noch einmal sowie ergänzende Fragen stellen. Es sei noch unklar, ob Wulff gegen das niedersächsische Ministergesetz verstoßen habe, sagte Fraktionschef Stefan Wenzel im Deutschlandfunk. Wenzel nannte es entscheidend, wer der wirtschaftlich Berechtigte des Kontos sei und wer die Geschäftsbeziehung in die Wege geleitet habe. "Wir haben den Eindruck, man hat auf unsere Frage nicht wahrheitsgemäß geantwortet", sagte er im NDR zur Erklärung Wulffs im Landtag.

Wie reagierte Wulff auf die Vorwürfe?

Am vergangenen Donnerstag hat er sein Schweigen gebrochen und Fehler zugegeben: Er sei sich keiner Absicht bewusst, erkenne jedoch an, "dass hier ein falscher Eindruck entstehen konnte", erklärte Wulff. "Es wäre besser gewesen, wenn ich auf die Anfrage der niedersächsischen Abgeordneten im Landtag über die konkreten Fragen hinaus auch diesen privaten Vertrag mit Frau Geerkens erwähnt hätte, denn in der Sache hatte und habe ich nichts zu verbergen."

Wie das Nachrichtenmagazin "Focus" berichtete, hat Wulff bereits während seines Kuwait-Besuches Geerkens eine SMS geschickt mit der Entschuldigung, dass er wegen des 500.000-Euro-Darlehens so in die Öffentlichkeit gezerrt werde. Der Ärger tue ihm leid, soll Wulff geschrieben haben.

Was sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel?

Bereits am Donnerstagabend nach Wullf Erklärung zeigte Merkel ihre Unterstützung. Die CDU-Vorsitzende sagte, sie "schätze und würdige" die Arbeit des Staatsoberhaupts. Zugleich begrüßte sie das jüngste Eingeständnis Wulffs, Fehler gemacht zu haben. Diese Erklärung sei "wichtig und hat zur Klärung beigetragen", sagte Merkel.

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