Bundestag verabschiedet Gesetz Ärzteverein will Verfassungsklage gegen Masern-Impfpflicht einreichen

Berlin · Kinder und Personal in Kindertagesstätten, Horten und Schulen müssen künftig gegen Masern geimpft sein. Bei Verstößen drohen Bußgelder von bis zu 2500 Euro. Erste Klagen sind angedroht.

 Eine Arzthelferin impft in einer Arztpraxis eine Patientin mit einer Spritze (Archiv).

Eine Arzthelferin impft in einer Arztpraxis eine Patientin mit einer Spritze (Archiv).

Foto: dpa/Ole Spata

Die Regelung hat der Bundestag am Donnerstag mit den Stimmen von Union, SPD und FDP beschlossen. Die AfD stimmte dagegen, Grüne und Linke enthielten sich. Ab März gilt die Nachweispflicht, betroffen sind zudem Mitarbeiter in medizinischen Einrichtungen wie Arztpraxen und Krankenhäusern sowie Bewohner und Mitarbeiter von Flüchtlingsunterkünften. Wer gegen die Auflagen verstößt, muss mit einem Bußgeld bis 2500 Euro rechnen. Kinder, die nicht geimpft sind, können von Kitas ausgeschlossen werden. Der Bundesrat muss der Reform noch zustimmen.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte das Gesetz auf den Weg gebracht, um den Schutz der Bevölkerung vor der gefährlichen Infektionskrankheit zu verbessern. Eine Masernerkrankung kann tödlich enden. Bis Mitte Juni 2019 wurden in Deutschland laut Gesundheitsministerium bereits 429 Masern-Fälle gemeldet, im gesamten Jahr 2018 waren es 544. Immer wieder kam es in den vergangenen Jahren zu Ausbrüchen. Ziel der Bundesregierung ist eine bundesweite Impfquote von mindestens 95 Prozent, um auch Kleinkindern und chronisch Kranken, die noch keine oder gar keine Impfung erhalten können, ausreichend Schutz über die Immunisierung der Bevölkerung zu bieten.

Wie das Robert Koch-Institut mitteilte, haben derzeit etwa 97,1 Prozent der Schulanfänger in Deutschland eine erste Masernimpfung bekommen. Damit der Schutz aber vollständig ist, braucht es mit gewissem Abstand eine zweite Impfung. Die haben nur etwa 93 Prozent der Schulanfänger, unter Jugendlichen und Erwachsenen ist sie geringer. Experten appellieren daher auch an ältere Bevölkerungsgruppen, die Impfung nachzuholen.

Ab kommendem März müssen Eltern also vor der Aufnahme in Kindertagesstätten oder an Schulen nachweisen, dass ihre Kinder geimpft sind – für Kinder, die schon zur Kita oder in die Schule gehen, gilt eine Frist bis 31. Juli 2021. Kitas dürfen ungeimpfte Kinder nicht mehr annehmen. Auch gegen die Einrichtungen können Bußgelder verhängt werden. Pflicht wird der Impfnachweis, es geht nicht um Zwangs-Impfungen gegen den Willen von Betroffenen. Wer aus gesundheitlichen Gründen nicht geimpft werden kann, ist von der Regelung ausgenommen, ebenso Personen, die vor 1971 geboren wurden.

Spahn verteidigte das Gesetz, Masernschutz sei Kinderschutz. In Westdeutschland kommt nun die erste Impfpflicht seit einer von 1874 gegen Pocken, wie der Minister erläuterte. Er verwies darauf, dass es in der DDR seit 1970 eine Masern-Impfpflicht gab. In der Praxis führt die nun beschlossene Impflicht nach Angaben des Pharmaverbandes VfA automatisch zu einer Impfpflicht auch gegen weitere Krankheiten, weil derzeit nur Impfstoffe zu Verfügung stünden, die gleichzeitig noch gegen Krankheiten wie Mumps und Röteln und zum Teil auch Windpocken immunisieren würden.

Gegner des Gesetzes haben bereits angekündigt, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. „Wir als Verein der Ärzte für eine individuelle Impfentscheidung werden aus unseren Reihen eine Verfassungsbeschwerde gegen das Gesetz einreichen und unterstützen“, sagte Michael Friedl, Facharzt für Kinderheilkunde und Jugendmedizin in Heidelberg und Vorsitzender des Vereins. Eine so drastische Einschränkung des Grundrechts auf körperliche Unversehrtheit und auf Selbstbestimmung sei durch die Masernfälle in Deutschland nicht zu rechtfertigen, so Friedl. Das Gesetz beruhe auf falschen Annahmen. „Über das langfristige Mittel gibt es keine Zunahme von Masernfällen in Deutschland. Gleichzeitig steigt die Impfbereitschaft der Bevölkerung. Und in anderen Ländern hat eine Impfpflicht nicht zu weniger Fällen geführt. All das negiert die Bundesregierung mit diesem Gesetz“, so Friedl. Er sehe es als pädagogische und soziale Aufgabe des Staates über die klaren Vorteile und den Nutzen einer Impfung aufzuklären. „Mit einem Zwang, wie er jetzt beschlossen wurde, erreicht die Regierung ihre Ziele nicht“, sagte Friedl.

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