Streit um Hambacher Forst 20.000 demonstrieren für die Kohle

Bergheim/Berlin · Ministerpräsident Laschet stellt sich hinter die vom Kohleausstieg betroffenen Mitarbeiter und Regionen. Die Kohlekommission empfiehlt den Umzug des Bonner BSI und des Kölner Bundesverwaltungsamts in die Kohlegebiete.

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Foto: dpa/Henning Kaiser

Im rheinischen Braunkohlerevier haben am Mittwoch rund 20.000 Kohlekumpel und weitere Mitarbeiter der Energiewirtschaft für den Erhalt ihrer Arbeitsplätze und gegen einen schnellen Kohleausstieg demonstriert. Anlass der Proteste war eine Sitzung der Kohlekommission im Rheinischen Revier. Die Kommission soll bis Ende des Jahres einen Plan für einen sozialverträglichen Ausstieg aus der Kohleverstromung vorlegen. Dazu wurde ein aktueller Zwischenbericht der Kommission bekannt, der unserer Redaktion vorliegt. Demnach empfiehlt das Gremium unter anderem den Umzug des Bonner Bundesamts für Sicherheit und Informationstechnik (BSI) und des Kölner Bundesverwaltungsamts (BVA) in die Kohle-Regionen.

Der Umzug von Bundes- oder Landesbehörden soll die Regionen stärken, weil sie die mit dem Braunkohletagebau verbundenen Wertschöpfungsketten früher als bislang geplant verlieren sollen. Bisher gibt es etwa im Rheinischen Revier Kohleabbau-Genehmigungen bis 2045. Aus Klimaschutzgründen streben Bundesregierung und Kommission jedoch einen früheren Ausstieg an. Die einvernehmliche Festlegung auf feste Ausstiegsdaten ist Kernaufgabe des Gremiums. Im Gespräch ist ein schnelles Abschalten von fünf bis sieben Gigawatt Kohlestrom sowie ein Ausstiegskorridor zwischen 2035 und 2038 für die restlichen Kohle-Kraftwerke.

In Bergheim stellte sich NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) hinter die vom Strukturwandel betroffenen Mitarbeiter und Regionen. Trotz des Kohleausstiegs müsse die Wettbewerbsfähigkeit des Industriestandorts erhalten bleiben, sagte er. Die Versorgungssicherheit müsse nach dem Ausstieg jederzeit gegeben sein. „Ich habe gerade an die Kommission appelliert, einen nachhaltig zeitlichen Ausstieg zu planen und nicht an Symbolen festzuhalten“, sagte Laschet. Er sprach damit den Hambacher Forst an, der zum Sinnbild für die Gegner der Braunkohle geworden ist. Auch Brandenburgs früherer Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), einer der vier Kommissionsvorsitzenden, warnte davor, durch „überstürzte Maßnahmen“ Jobs zu verlieren.

 In Bergheim protestierten am Mittwoch rund 20.000 Menschen gegen einen schnellen Kohleausstieg. Im Bild: Dirk Brügge, Kreisdirektor des Rhein-Kreises Neuss.

In Bergheim protestierten am Mittwoch rund 20.000 Menschen gegen einen schnellen Kohleausstieg. Im Bild: Dirk Brügge, Kreisdirektor des Rhein-Kreises Neuss.

Foto: Rhein-Kreis Neuss

In ihrem Zwischenbericht fordert die Kommission eine Selbstverpflichtung des Bundes und der Länder, in den kommenden Jahren Neugründungen, Verlagerungen oder Erweiterungen von Behörden oder Einrichtungen prioritär in den betroffenen Regionen vorzunehmen. „Behörden, die hierfür in Frage kommen, sind unter anderem das Bundesamt für Sicherheit und Informationstechnik (BSI) und das Bundesverwaltungsamt“, heißt es in dem 39 Seiten langen Berichtsentwurf. Er soll am heutigen Donnerstag in einer weiteren Kommissionssitzung in Berlin beraten werden. Im Bonner BSI arbeiten 800 Mitarbeiter, im Kölner BVA 5500.

In den vier Braunkohle-Regionen sollten zudem so genannte „Reallabore“ eingerichtet werden, „mit denen Vorhaben mit Pioniercharakter für die Energiewende auf den Weg gebracht werden sollen“, so der Bericht. „Es ist zu prüfen, ob einzelne Reallabore in den Revieren als künftige Innovationsregionen unter regulatorischen Sonderbedingungen eingerichtet werden können“, heißt es. Schwerpunkt der Reallabore solle die Power-To-Gas-Technologie werden, bei der aus Wasser Brenngas hergestellt wird, das gespeichert werden kann.

Die Kommission fordert zudem, das Rheinische Revier und die Lausitz beim Ausbau der Digitalisierung als zusätzliche 5G-Modellregionen zu erschließen. Die Bundesregierung solle sich überdies auf EU-Ebene dafür einsetzen, dass die Kohleregionen auch künftig deutsche und europäische Sonderfördergebiete bei der Vergabe von Strukturfördermitteln bleiben. Bei der Vergabe von Fördermitteln oder beim Bau von Straßen und Schienen solle es einen „Revierbonus“ geben, der die Regionen bevorzugt.

Die vom Bund bis 2021 zugesagten 1,5 Milliarden Euro für prioritäre strukturpolitische Ausgaben in den Regionen betrachtet die Kommission „als einen ersten Schritt“, so der Bericht. Darin entwirft die Kommission auch spezielle strukturpolitische Pläne für jedes der vier deutschen Braunkohle-Abbau-Gebiete. Im Rheinischen Revier seien die Ausgangsbedingungen für den weiteren Strukturwandel im Vergleich aber „besonders gut“. Die Region profitiere „von einer Reihe von Standortvorteilen im Vergleich zu den anderen Regionen“. Hierzu zählten die Siedlungsstruktur mit mehreren Großstädten sowie die „starke Wirtschaftsstruktur“. Zur Schaffung neuer Wertschöpfungsketten nach dem Kohleausstieg solle das Rheinische Revier „Modellstandort im künftigen Energiesystem“ mit einem „Campus für Low Carbon-Technologien“ werden. Um auch eine wegweisende Gründungsstruktur zu entwickeln, sollten Hochschulen erweitert werden. Der Bericht nennt hier etwa den Köln-Campus Rhein-Erft.

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