Berlin Deutschland bekommt mehr Kinder

Berlin · Knapp 740.000 Babys kamen 2015 in der Bundesrepublik zur Welt, der höchste Wert seit 15 Jahren. Experten sehen die gute Wirtschaftslage als Grund. Die Zahl der Todesfälle überwog dennoch.

In Deutschland gibt es einen kleinen Babyboom: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes kamen im vergangenen Jahr 738.000 Mädchen und Jungen in der Bundesrepublik zur Welt. Noch höhere Zahlen hatte es zuletzt nur im Jahr 2000 gegeben, damals mit 767.000 Neugeborenen. Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) wertete den erneuten Anstieg als "schönes Signal". 2014 waren in Deutschland noch 715.000 Babys lebend geboren worden.

Die Wiesbadener Statistiker führen die höheren Geburtenzahlen auf geburtenstarke Jahrgänge zurück, die nun im gebärfähigen Alter seien. Ende der 80er Jahre seien in Deutschland viele Kinder zur Welt gekommen, heute seien die damals geborenen Frauen potenzielle Mütter, hieß es. Gleichzeitig würden sich aber auch mehr Paare ihren Kinderwunsch erfüllen. So stieg die statistische Geburtenziffer von 1,39 pro Frau im Jahr 2011 auf heute 1,48.

Mit den erhöhten Geburtenzahlen geht auch ein Trend zu mehr Eheschließungen einher. Rund 400.000 Paare heirateten im vergangenen Jahr, wie bei den Babys gab es auch hier seit 2000 keinen höheren Wert. Für den Soziologen Harald Rost vom Staatsinstitut für Familienforschung ist das keine Überraschung. "Kinder sind eines der zentralen Heiratsmotive", sagte der Wissenschaftler.

Gleichzeitig sank in den vergangenen Jahren die Zahl der Scheidungen und der davon betroffenen minderjährigen Kinder. 166.000 Fälle gab es im Jahr 2014, knapp 135.000 minderjährige Kinder waren davon betroffen. Das ist der geringste Wert seit 1994, nach einem Scheidungsrekord im Jahr 2003 mit knapp 214.000 Fällen. Daten für 2015 stehen noch aus.

Getrübt wird das Bild jedoch durch die zuletzt ebenfalls höhere Zahl an Todesfällen. 925.000 Menschen starben 2015 in Deutschland, das waren 6,5 Prozent mehr als im Vorjahr - und damit 188.000 Menschen mehr, als geboren wurden. Dieser sogenannte Sterbeüberschuss lag im Vorjahr noch bei rund 153.000 Personen. Aber was verursacht neben den demografischen Effekten durch starke Jahrgänge die höhere Zahl an Geburten in Deutschland? Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln, sieht vor allem sozioökonomische Gründe. "Die gute wirtschaftliche Lage in Deutschland bildet für viele Familien einen soliden Grundstein der Familienplanung", sagte Hüther. Auch die verbesserten Betreuungsmöglichkeiten für Kinder unter drei Jahren hätten sicherlich einen positiven Effekt auf die Geburtenrate, da sie vielen Eltern den Wiedereinstieg in den Arbeitsmarkt vereinfachten, so der Ökonom. Die Einführung des Betreuungsgeldes für Eltern, die ihre Kinder nicht in eine Kita geben, habe die Rückkehr zum Arbeitsplatz hingegen maßgeblich erschwert.

Hüther wies zudem darauf hin, dass man seit Jahren "ein Verschieben von Geburten auf einen späteren Lebensabschnitt" beobachte. In den höheren Geburtenzahlen komme daher teils auch ein Nachholeffekt wegen der alternden Bevölkerung zum Ausdruck.

Auch Soziologe Rost sieht diese Entwicklung. "Viele Menschen wollen nach einer langen Ausbildung erst einmal den beruflichen Einstieg finden und eine ausreichend große Wohnung haben." Die Fruchtbarkeit nehme mit 30 Jahren aber allmählich ab, und statt der gewünschten zwei bis drei Kinder kämen dann oft nur ein bis zwei. Zudem sei die Vereinbarkeit von Familie und Beruf häufig noch schwierig. Die Kinderbetreuung müsse etwa in Randzeiten und Ferien ausgebaut werden, so Rost.

(jd)
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