Analyse Deutsche bilden sich gern in Recht weiter

Berlin · Lebenslanges Lernen ist in Deutschland bei vielen Beschäftigten Realität geworden. Gerade diejenigen, die mehr Qualifikation benötigen, bilden sich am wenigsten weiter. Die Themen Wirtschaft, Arbeit und Recht sind beliebt.

Wenn die wichtigsten "Bodenschätze" eines Landes in den Köpfen seiner Bewohner liegen, dann hängt die Zukunftsfähigkeit einer solchen Gesellschaft entscheidend davon ab, wie fit sich die Menschen in ihren beruflichen Fähigkeiten halten. Das Stichwort "Lebenslanges Lernen" ist in Deutschland längst Realität geworden. Doch hinter den generellen guten Trends der jüngsten, breit angelegten AES-Studie zur Weiterbildung von Erwachsenen (Adult Education Survey) liegen erhebliche Unterschiede, die wichtige Fragen aufwerfen.

Welche Trends lassen sich hinsichtlich der Themenwahl erkennen?

Seit Jahren steigt der Anteil derer, die sich für den Bereich Wirtschaft, Arbeit und Recht fortbilden. Hier nehmen mehr Teilnehmer an Angeboten zu Arbeitsorganisation sowie Umweltschutz teil. Das Interesse an Computer- und Softwarekursen ist weiterhin hoch, allerdings sinkt das Interesse Jahr für Jahr. Mathematik und Statistik sind immer noch bei der Kurswahl unbeliebt. Besonders der Anteil der Teilnehmer im Bereich der Pflege und medizinischen Dienstleistungen steigt stetig.

Richten sich alle Altersgruppen auf die nötige Weiterbildung ein?

Nein. Die Jüngsten scheinen es noch nicht, die Ältesten nicht mehr so wichtig zu nehmen. Den höchsten Anstieg auf 58 Prozent gibt es in der Gruppe der 25- bis 34-Jährigen, zwischen 35 und 54 Jahren nutzen 53 Prozent der Menschen die Weiterbildung, zwischen 18 und 24 sind es 50 Prozent. Immerhin ist bei den 55- bis 64-Jährigen der Anteil in den vergangenen sieben Jahren von 27 auf 39 Prozent gestiegen.

Gibt es Unterschiede zwischen den Geschlechtern?

Das hängt von Beschäftigung und Angebot ab. Nachdem die Männer lange mit großem Abstand vorne lagen, hat sich der Anteil von Männern (52 Prozent) und Frauen (50 Prozent) nun fast angeglichen. Unter den Vollzeit-Erwerbstätigen nutzen 61 Prozent der Frauen und 58 Prozent der Männer die Weiterbildung. Geht es um individuelle Weiterbildung, sind Frauen motivierter: Sieben Prozent der erwerbstätigen Männer, aber 13 Prozent der erwerbstätigen Frauen bilden sich weiter.

Hat die Vorbildung Einfluss?

Sogar sehr drastisch: je höher der Schulabschluss, desto größer die Bereitschaft zur Weiterbildung. Hauptschüler machen zwar Boden gut, indem ihr Anteil in den vergangenen sieben Jahren von 29 auf 36 Prozent stieg. Doch Absolventen mittlerer Abschlüsse sind zu 53 Prozent bei der Weiterbildung dabei, Abiturienten zu 62 Prozent und Akademiker sogar zu 67 Prozent.

Soll Weiterbildung die persönliche Stellung verbessern?

Wenn dies die vorherrschende Motivation wäre, sollten sich Mitarbeiter mit niedriger Stellung eigentlich häufiger weiterbilden als solche mit höherer. Das Gegenteil ist aber der Fall. Der Anteil der Ungelernten oder Angelernten ist zwar von 34 auf 44 Prozent gestiegen. Doch die Fachkräfte setzen zu 64 Prozent auf Weiterbildung, die Führungskräfte sogar zu 75 Prozent. Je höher die berufliche Stellung ist, desto selbstverständlicher wird dies also mit der Notwendigkeit ständiger Weiterbildung verbunden, um den Anschluss nicht zu verpassen.

Hat das etwas mit der Höhe des Einkommens zu tun?

Das Einkommen liefert den eindrucksvollsten Zahlenverlauf: Je mehr ein Mensch verdient, desto mehr setzt er auf Weiterbildung. Von den Erwerbstätigen, die monatlich weniger als 450 Euro brutto bekommen, sind nur 40 Prozent bei der Weiterbildung dabei. Von Gehaltsstufe zu Gehaltsstufe steigt der Anteil kontinuierlich bis auf 70 Prozent derjenigen, die mindestens 3000 Euro verdienen. Das kann jedoch an dem weit vorherrschenden Angebot betrieblicher Weiterbildung liegen, das immerhin 70 Prozent aller Weiterbildungsmöglichkeiten in Deutschland umfasst. Geht es um individuelle berufsbezogene oder außerberufliche Weiterbildung, liegen die Gering- und die Vielverdiener mit zehn beziehungsweise rund 14 Prozent gleichauf.

Welche Rolle spielt die Größe des Betriebs?

Sie ist ein wesentlicher Schlüssel für die Erläuterung des positiven Trends. Denn bei den Kleinbetrieben zwischen einem und zehn Beschäftigten ist der Anteil der Teilnehmer an Weiterbildung im Siebenjahresvergleich sogar von 45 auf 44 Prozent gesunken. Er wird umso besser, je größer ein Unternehmen ist. Bei elf bis 19 Beschäftigten stieg er von 48 auf 53 Prozent, bei 20 bis 49 Mitarbeitern von 53 auf 56 Prozent, bei 250 bis 999 Mitarbeitern von 54 auf 69 Prozent und bei Unternehmen mit mindestens tausend Beschäftigten von 64 auf 71 Prozent.

Nutzen Migranten die Angebote?

Schlechte Zahlen enthüllt die Studie auch bei der Unterscheidung nach Nationalität. Bei den Erwerbstätigen mit deutschem Pass stieg der Anteil derjenigen, die sich weiter bildeten, binnen sieben Jahren von 45 auf 53 Prozent, dagegen sank er bei den Ausländern von 33 auf 32 Prozent. Lässt man die betrieblichen Angebote außen vor, gab es bei der individuell organisierten Weiterbildung der Deutschen einen geringfügigen Anstieg von neun auf zehn Prozent, bei den Ausländern einen geringfügiges Absinken von sieben auf sechs Prozent.

Wie beurteilen die Teilnehmer die Weiterbildung?

Im Vergleich der Studien aus den letzten sieben Jahren ist die Bewertung, was die Weiterbildung gebracht hat, immer wieder Schwankungen unterworfen. Im vergangenen Jahr sagten 41 Prozent "sehr viel", zwei Jahre zuvor waren es noch 45 Prozent, vier Jahre zuvor ebenfalls 41. "Recht viel" haben 43 Prozent die erworbenen Kenntnisse nutzen können, "eher wenig" 13 Prozent und "gar nicht" lediglich zwei Prozent.

(may-)
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