Jinan Der tiefe Fall des Polit-Stars Bo Xilai

Jinan · Der ehemalige Hoffnungsträger wehrt sich zu Prozessbeginn mit einer kämpferischen Verteidigung.

 Bo Xilai flankiert von zwei Polizisten im Gerichtssaal – ein Screenshot aus einer chinesischen Fernsehsendung.

Bo Xilai flankiert von zwei Polizisten im Gerichtssaal – ein Screenshot aus einer chinesischen Fernsehsendung.

Foto: AP

Überschattet von Protesten und Festnahmen hat der Prozess gegen den gestürzten chinesischen Spitzenpolitiker Bo Xilai begonnen. In dem voraussichtlich letzten Akt des Politkrimis werden dem früheren Parteichef der Millionen-Metropole Chongqing Bestechlichkeit, Unterschlagung und Amtsmissbrauch vorgeworfen.

Zum Auftakt in der ostchinesischen Stadt Jinan gab es vor dem Gericht Protestaktionen von Anhängern und anderen Demonstranten, die das kommunistische System kritisierten. Ein Großaufgebot der Polizei schritt sofort ein und nahm mehrere Demonstranten fest.

Bo Xilai war ein aufsteigender Stern am Polithimmel Chinas. Das ehrgeizige Politbüromitglied ist angeklagt, fast 27 Millionen Yuan (rund 3,3 Millionen Euro) an Bestechungsgeld angenommen zu haben. Außerdem wird ihm Amtsmissbrauch vorgeworfen, weil er Ermittlungen gegen seine Frau Gu Kailai behindert haben soll. Gu wurde bereits wegen Mordes an einem Briten zum Tode verurteilt. Die Vollstreckung ist jedoch ausgesetzt.

Gu Kailai ist die Tochter von General Gu Jingsheng, einem berühmten Revolutionär. Die Politikergattin machte sich einen Namen als erfolgreiche Anwältin. Gu Kailai und Bo Xilai galten als Traumpaar der chinesischen Politik. Die 54-Jährige soll sich um die geschäftlichen Dinge der Familie gekümmert haben. Mit dem befreundeten Briten Neil Heywood soll sie ein Vermögen ins Ausland geschafft haben. Wegen Mordes an dem Geschäftsmann wurde sie im August 2012 zu einer Todesstrafe auf Bewährung verurteilt.

Neil Heywood kannte das Politikerpaar seit den 90er Jahren in Dalian. Im November 2011 war der 41-Jährige tot in einem Hotelzimmer gefunden worden. Erst sollte exzessiver Alkoholkonsum die Todesursache gewesen sein, doch wurde später enthüllt, dass Heywood von Gu Kailai vergiftet worden sein soll. Es soll Streit um Geld gegeben haben, so die offizielle Darstellung. Der Brite hinterlässt seine chinesische Frau und zwei Kinder. Die Familie fordert eine Millionenentschädigung.

Der angeklagte Bo Xilai, bekannt dafür, dass er stets in Maßanzügen und mit perfekt gebundener Krawatte auftrat, stand gestern in einem zerknitterten weißen Hemd vor seinem Richter. Er trug keine Handschellen, doch links und rechts von dem groß gewachsenen Mann standen zwei Polizisten, die ihn deutlich überragen. "Nicht nur Bo wusste, wie man optische Akzente setzt, das Gericht weiß das offensichtlich auch", kommentierte "Spiegel Online" diesen sorgfältig inszenierten Auftritt. Er sei reingelegt worden und habe beim Verhör einer Disziplinarkommission der Kommunistischen Partei einen Fall von Korruption gegen seinen Willen zugegeben, sagte der 64-Jährige.

Bo ist bei vielen Chinesen beliebt. Er stellte sich selbst als Politiker dar, der den sozialen Ausgleich suchte, weil viele Chinesen beim rasanten Umbau der Wirtschaft auf der Strecke blieben. Die Presse ist in dem Prozess nicht zugelassen. Das Gericht berichtet auf einem Internetblog über den Verhandlungsverlauf.

Die Kommentare der chinesischen Blogger sind zahlreich und sarkastisch, die staatlichen Zensoren kommen kaum damit nach, die Einträge in Internet wieder zu löschen. "Seit wann nehmt ihr es mit diesen Zahlen so genau?", fragt einer, "1,1 Millionen – und das nennt ihr Bestechung?", ein anderer.

Beobachter vermuten, dass der Ausgang des Verfahrens bereits feststeht und zwischen Bo sowie der Parteiführung eine Übereinkunft ausgehandelt wurde. Dafür spricht, dass der neue Staats- und Parteichef Xi Jinping die Wirtschaft umbauen will und dabei Unruhe in der Partei nicht gebrauchen kann. Ihm dürfte daran gelegen sein, dass der Prozess schnell beendet wird.

Aus dem Prozessbericht wurde nicht deutlich, dass sich Bo in einem Punkt für schuldig bekannte. Sollte er dies tun, könnte das ein Hinweis darauf sein, dass er auf eine Vereinbarung zusteuert.

Nach Darstellung der Staatsanwaltschaft erhielt Bo Bestechungsgelder von Tang Xiaolin, dem Chef der Hongkonger Exportfirma Dalian International Development und von Xu Ming, einem weiteren mit ihm befreundeten Unternehmer. Bo bezeichnete Tang als "verrückten Typen", der ihn habe hereinlegen wollen. Er sei immer davon ausgegangen, dass es sich um offizielle Geschäfte gehandelt habe.

Bo soll die Bestechungsgelder über seine Frau Gu und seinen Sohn Bo Guagua erhalten haben, erklärte das Gericht. Guagua hält sich derzeit zum Studium in den USA auf. Gu erklärte laut Gericht in einer schriftlichen Stellungnahme, sie habe in zwei ihrer Wohnungen große Summen Bargeld in Safes gesehen. Die Menge habe der Summe entsprochen, die Bo von Tang erhalten haben soll. Der Angeklagte bezeichnete dies als lächerlich.

Der Prozess ist für zwei Tage angesetzt. Ein Urteil wird im September erwartet. Bei einer Verurteilung droht Bo die Todesstrafe, die auch in lebenslängliche Haft umgewandelt werden könnte.

(RP)
Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort