Lothar Probst "Der klassische Ortsverein ist für Jugendliche langweilig"

Der Wahlforscher findet, Politik müsse mehr Erlebnischarakter haben. Dafür sollten Parteien auch mehr Foren für Heranwachsende bieten.

Jung und politisch interessiert - ist das heutzutage ein Widerspruch?

Probst Nein, es gibt heute wahrscheinlich mehr Jugendliche, die sich sozial oder politisch engagieren, als früher. Das Problem ist eher, dass wir eine starke Zweiteilung haben: politisch wenig interessierte Jugendliche mit geringer Bildung in sozial schwierigen Lebenslagen und politisch stark interessierte und gut informierte Jugendliche mit guter Bildung, die in ökonomisch stabilen Verhältnissen aufwachsen. Das drückt sich auch in der Wahlbeteiligung aus - in der ersten Gruppe schwach, in der zweiten wesentlich stärker.

Warum zieht es junge Leute so selten in Parteien?

Probst Für politisch interessierte Jugendliche gilt eher das Motto "small and soon" ("klein und schnell"). Also Engagement in kleinen überschaubaren Projekten für eine gute Sache; das Ergebnis des Engagements sollte in einem erreichbaren Zeitraum möglich sein.

Wie kann ein Partei-Veteran glaubwürdig über die Probleme Heranwachsender sprechen?

Probst Parteien müssen mehr Foren für Heranwachsende anbieten - der klassische Ortsverein, der stundenlang über Tagesordnungen redet, ist für Jugendliche langweilig. Die Parteikulturen sind zu wenig auf Jugendliche abgestellt. Natürlich kann auch der Austausch zwischen Alt und Jung bereichernd sein - aber nicht nach dem Motto: Ich erzähle euch mal, wie wir unter Willy Brandt Politik gemacht haben.

Wie wichtig ist jungen Leuten das Internet als Forum politischer Partizipation?

Probst Das Internet ist die wichtigste Kommunikationsplattform für Jugendliche geworden. Die Piraten etwa hatten auch viele jüngere Parteimitglieder, die nicht aus den oberen Bildungsschichten kamen, sondern Real- und Hauptschüler waren. Dort war das Internet nicht einfach nur ein weiterer Kanal unter vielen, sondern es war ein Angebot zum Mitmachen.

Sollte das Wahlalter gesenkt werden?

Probst Bremen, Hamburg und bald auch Brandenburg haben ja schon das Wahlrecht ab 16, andere Bundesländer wollen nachziehen. Man sollte aber nicht darauf setzen, dass dadurch die politische Partizipation von Jugendlichen steigt.

JASMIN BUCK STELLTE DIE FRAGEN.

(RP)
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