Der Iran und die Bombe

Die Nuklear-Kontrollbehörde hat offenbar neue Belege dafür, dass der Iran Atomwaffen entwickelt. Israel will Teherans Nuklearanlagen bombardieren. Sicherheitsexperte Wolfgang Ischinger warnt.

Berlin Israel verschärft die Drohungen, Atomziele im Iran zu bombardieren, offenbar vor dem Hintergrund rapide gewachsener technischer Möglichkeiten Teherans. Der neue Zwischenbericht der internationalen Atomenergiebehörde IAEA enthält zahlreiche Belege für die systematische Entwicklung von Atomwaffen im Iran.

Eine "smoking gun", also eine unbezweifelbare Beweiskraft, kann die Behörde jedoch seit Jahren nicht mehr liefern, da Teheran den Zugang der Kontrolleure zu brisanten Bereichen systematisch verhindert. Nach Geheimdienstinformationen simuliert Teheran seit Jahren die Entwicklung und den Einsatz von Atomwaffen. Für sämtliche Komponenten zum Bau von Bomben gebe es Hinweise auf Testapparaturen. "Die Zeit läuft ab", sagte Israels Präsident Shimon Peres. Es blieben noch sechs Monate, bis der Iran die Bombe haben könne.

Westliche Geheimdienste verfügen über Hinweise, wonach der Iran Unterstützung von ehemaligen russischen und pakistanischen Atombombenexperten erhalten hat. Mehrfach hatte der Iran in der Vergangenheit mit einer "Ausradierung" Israels gedroht, zugleich aber bestritten, unter dem Deckmantel einer friedlichen Nutzung der Kernenergie tatsächlich die Atombombenentwicklung voranzutreiben.

Israel forciert seit einer Woche die Warnungen. Die Armee testete eine Mittelstreckenrakete mit einer Reichweite bis zu den iranischen Atomanlagen. Auch die Luftwaffe soll über Sardinien Einsätze über längere Entfernungen hinweg geübt haben. Zudem verstärkt das Land das Anti-Raketen-System, um den Großraum Tel Aviv vor massiven Vergeltungsschlägen zu schützen. Schon vor Jahren statteten die USA die israelischen Freunde mit bunkerbrechenden Sprengköpfen aus. Peres ergänzte diese Berichterstattung mit der Einschätzung, dass ein "Angriff näher als eine diplomatische Lösung" sei.

In Berlin warf Russlands Präsident Dmitri Medwedew bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundespräsident Christian Wulff Israel eine "gefährliche Rhetorik" und "militaristische Äußerungen" vor. Diese Drohkulisse könne in einen Krieg münden. Zugleich forderte der russische Präsident den Iran auf, endlich den Nachweis zu führen, dass sein Atomprogramm allein friedlichen Zwecken diene. Trotz eindeutiger Zusagen habe Teheran hier leider keine Fortschritte erkennen lassen.

Außenminister Guido Westerwelle kündigte eine "nächste Sanktionsrunde" gegen den Iran an, falls es neue Belege für dessen Atomkurs gebe.

Selbst bei erheblich verstärkten Sorgen um eine iranische Atombombe müsse es unbedingt beim "Nein zu einem militärischen Eingreifen" bleiben, sagte der führende deutsche Sicherheitsexperte, Botschafter Wolfgang Ischinger. "Die Möglichkeiten, den Sanktionsdruck auf Teheran weiter zu erhöhen, sind noch lange nicht ausgeschöpft", betonte der Vorsitzende der Münchner Sicherheitskonferenz im Gespräch mit unserer Zeitung. Für einen präemptiven Militärschlag gebe es "weder eine tragfähige Rechtsgrundlage noch eine hinreichende Erfolgschance".

Die strategische Antwort der internationalen Gemeinschaft auf eine befürchtete iranische Nuklearwaffe kann nach Ansicht Ischingers nur die aus dem Kalten Krieg bewährte Strategie der Abschreckung sein. "Wenn diese Strategie über ein halbes Jahrhundert gegenüber der Sowjetunion funktionierte, warum soll sie notfalls nicht auch gegenüber dem Iran wirksam sein können", fragte Ischinger.

Der Westen verfüge über sämtliche Fähigkeiten und Elemente, um den Iran vom Einsatz nuklearer Waffen "glaubwürdig, dauerhaft und damit erfolgreich" abzuschrecken, hob Ischinger hervor. Durch das Raketenabwehrsystem, das Nato und Russland planten, könne diese Strategie ergänzt und eines Tages vielleicht sogar ganz abgelöst werden.

(RP)
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