Whistleblower-Gesetz im Bundestag Ampel will besseren Schutz für den nächsten Edward Snowden

Berlin · Wer künftig in einer Firma oder Behörde auf einen Missstand hinweist, soll umfassender vor Repressalien geschützt werden. Ein erster Ampel-Vorschlag war im Februar im Bundesrat gescheitert. Daher wurde das Gesetz nun zweigeteilt — sehr zum Ärger der Union.

 Edward Snowden ist einer der bekanntesten Whistleblower weltweit. Seine Enthüllungen gaben Einblicke in Überwachungs- und Spionagepraktiken von Geheimdiensten.

Edward Snowden ist einer der bekanntesten Whistleblower weltweit. Seine Enthüllungen gaben Einblicke in Überwachungs- und Spionagepraktiken von Geheimdiensten.

Foto: dpa/Armando Franca

Die Ampel-Koalition unternimmt einen neuen Anlauf für ein Gesetz zum Schutz von Whistleblowern. Ein erster Entwurf war im Februar im Bundesrat am Widerstand der unionsgeführten Bundesländer gescheitert. Nun wurde das Gesetz, das Hinweisgeber vor Repressalien schützen soll, zweigeteilt. Nur ein Teil wird als zustimmungspflichtig eingestuft, dieser braucht also eine Mehrheit im Bundesrat. Der andere Teil kann von der Länderkammer nicht gestoppt werden.

Das heißt: Beamte der Länder könnten von dem geplanten Schutz ausgenommen werden, damit Länderinteressen nicht berührt sind. Der Bundesrat wäre außen vor. Die Union wirft der Koalition jedoch Trickserei vor. „Anstatt die berechtigten Kritikpunkte der Länder ernst zu nehmen, will die Bundesregierung mit dem Kopf durch die Wand“, sagt Günter Krings, rechtspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, auf Anfrage unserer Redaktion.

Mit dem Gesetz setzt Deutschland eine EU-Richtlinie um. Die Frist war eigentlich schon im Dezember 2021 ausgelaufen. Die Ampel verteidigt die Aufspaltung damit, dass Eile geboten sei. „Es sind hohe Strafzahlungen zu erwarten, die sich mit jedem weiteren Tag bis zur Umsetzung der Richtlinie erhöhen. Mit unserem jetzigen Vorgehen ermöglichen wir eine schnelle Umsetzung“, sagt der Grünen-Rechtspolitiker Till Steffen.

Die Koalition will das Risiko für Menschen senken, die auf Missstände in einer Firma oder Behörde hinweisen. Zudem geht es um Vorgaben zum Aufbau interner und externer Meldekanäle. Mit den beiden Gesetzentwürfen befasst sich zeitnah der Rechtsausschuss des Bundestages. Der eine Vorschlag entspricht weitgehend der ursprünglichen Fassung. Allerdings werden Beamte der Länder ausdrücklich ausgenommen. Der zweite Entwurf sorgt für eine „Ergänzung der Regelungen zum Hinweisgeberschutz“. Diese Regelungen sollen damit auf genau den Personenkreis anwendbar gemacht werden, der in dem ersten Entwurf explizit ausgenommen ist. Für diesen Gesetzentwurf ist wiederum die Zustimmung des Bundesrates erforderlich.

Die Union kritisiert, dass mit dem Gesetz auf kleine und mittelständische Unternehmen bürokratische Belastungen und zusätzliche Kosten zukämen. Denn: Rund 90.000 Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten würden verpflichtet, interne Meldestellen einzurichten. Zudem wird bemängelt, dass lediglich die Identität einer hinweisgebenden Person, die vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige Informationen über Verstöße meldet, nicht geschützt werden soll. „Eine Ausweitung auf einfache Fahrlässigkeit wäre erforderlich. Der Hinweisgeberschutz in Deutschland ist damit weder ausgewogen noch rechtssicher“, sagt Krings.

Kosmas Zittel, Geschäftsführer der Nichtregierungsorganisation Whistleblower-Netzwerk, kann der Zweiteilung ebenfalls nicht viel abgewinnen. Der erste Vorschlag, der nicht durch die Länderkammer muss, sei wenig zielführend. „Wir befürchten ein Zwei-Klassen-Recht im öffentlichen Dienst. Der Schutz für Whistleblower im öffentlichen Dienst ist bereits stark eingeschränkt, da Angelegenheiten der nationalen Sicherheit gänzlich und Verschlusssachen weitgehend vom Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes ausgenommen werden sollen. Nun Beamten der Länder ganz aus der Regelung zu nehmen, ist das falsche Signal“, sagt Zittel.

Der Finanzskandal Cum-Ex habe offenbart, dass der Staat auch die eigenen Strukturen verbessern müsse. „Whistleblower sollten auch dann geschützt sein, wenn sie gravierende, aber gerade noch legale Missstände aufdecken“, sagt Zittel. Das vorgelegte Gesetz sei ein Schritt in die richtige Richtung, aber kein großer Wurf. In anglo-amerikanischen Ländern gebe es eine deutlich verbreitetere Kultur des Whistleblowings. In Deutschland sei man da vorsichtiger. Daher habe es auch Jahre gedauert, bis etwa der Abgasskandal den Weg an die Öffentlichkeit und vor Gerichte fand. Und die Perspektive sei nicht rosig. „Es ist nicht damit zu rechnen, dass deutlich mehr Fälle den Weg an die Medien, die Öffentlichkeit und in den demokratischen Diskurs finden“, sagt Zittel. Whistleblower seien bei einer Offenlegung nämlich nur in Ausnahmefällen geschützt, so der Geschäftsführer.

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