Debatte um Ferda Ataman Die Deutschen und die Kartoffel

Meinung | Düsseldorf · Ferda Ataman soll neue Bundesbeauftragte für Antidiskriminierung werden. Darüber gibt es Streit, der sich unter anderem an der Bezeichnung „Kartoffel“ für Deutsche entzündet. Klingt harmloser als es ist.

 Kartoffeln – den Deutschen sagt man eine Vorliebe für die Knollen nach.

Kartoffeln – den Deutschen sagt man eine Vorliebe für die Knollen nach.

Foto: dpa/Philipp Schulze

Menschen danach zu bezeichnen, was sie gern essen, ist zwar ziemlich unsinnig, hat aber eine gewisse Tradition. Es ist eben eingängig, einen Teil fürs Ganze zu nehmen, und Menschen mit den Speisen zu identifizieren, die in ihren Regionen verbreitet sind. Derlei Stereotype haben eine folkloristische Note und werden daher gern als harmlos abgetan. In Italien seien die Spaghetti nun mal Grundnahrungsmittel, in den Niederlanden der Käse und so fort. Auch die Deutschen haben so ein Identifikationsgericht und werden darum gelegentlich als „Kartoffeln“ bezeichnet. Auch in diesem Fall ist zutreffend, dass zumindest früher hierzulande täglich Kartoffeln auf den Tisch kamen, was Bert Brecht in seinem Gedicht „Was ein Kind gesagt bekommt“ zu der suffisanten Pointe brachte: „Kartoffeln sind gesund./ Ein Kind hält den Mund.“ Die schwere, erdige Knolle, eher sättigend als raffiniert, scheint für etwas zu stehen, das man mit „den Deutschen“ verbindet. Doch all diese Zuschreibungen sind eben genau das: pauschale Zuschreibungen.

Es ist also einerseits lächerlich, wenn sich die Debatte über Ferda Ataman, die am Donnerstag zur neuen Bundesbeauftragten für Antidiskriminierung gewählt werden soll, daran entzündet, dass sie sich in einer Kolumne darüber ausgelassen hat, die Deutschen müssten es schon ertragen, als „Kartoffel“ bezeichnet zu werden. Schließlich würden sie selbst Mitbürgern mit Wurzeln in anderen Ländern ständig Namen verpassen, sie als Deutschtürken, Russlanddeutsche oder Menschen mit Migrationshintergrund bezeichnen. Da sei eine so nette Beleidigung wie „Kartoffel“ doch wohl das Mindeste, das sie selbst einstecken müssten. Man kann das als Polemik abtun, als einen Meinungsbeitrag, mit dem Ataman der Mehrheitsgesellschaft vor Augen führen wollte, wie oft sie Minderheiten bezeichnet und ihnen damit Stempel aufdrückt.

 Die Publizistin Ferda Ataman soll neue Antidiskriminierungsbeauftragte werden.

Die Publizistin Ferda Ataman soll neue Antidiskriminierungsbeauftragte werden.

Foto: dpa/Jörg Carstensen

Doch wäre es wohl sinnvoller, dafür zu plädieren, all diese Etikettierungen möglichst sein zu lassen. Statt wie Ataman aufzurechnen, wer welches Maß an Beleidigung bitteschön zu schlucken hat. Das folgt nämlich der Logik von Ausgrenzung und Feindlichkeit. Diskriminierung sollte man aber durch Aufklärung bekämpfen, nicht durch Gegenattacken – spätestens, wenn man dafür beauftragt wird.

Unsere Autorin ist Redakteurin des Ressorts Politik/Meinung. Sie wechselt sich hier mit unserem stellvertretenden Chefredakteur Horst Thoren ab.

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